Schlank und lieblich

Schlank und lieblich
Les Modes 1904, Foto: Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. Léopold-Émile Reutlinger [Public domain], via Wikimedia Commons

Mode 1904:

Les Modes 1904, Foto: Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. Léopold-Émile Reutlinger [Public domain], via Wikimedia Commons

Les Modes 1904, Foto: Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. Léopold-Émile Reutlinger [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Silhouette bleibt in diesem Jahr der Sans-Ventre-Linie, der »Linie ohne Bauch« verpflichtet, gilt doch das Hauptaugenmerk der überaus schlanken Taille.

Man nutzt dafür optische Raffinements, indem man die Oberteile leicht blusig über die Taille fallen lässt, sie als kleine Boleros schneidert, oder mit breiten Schulterkragen, den Berthen, oder Brustlätzen ausstattet. Die Röcke sind angereiht oder als Bahnen- oder Faltenrock gearbeitet, doch immer so, dass sie um die Hüften eng anliegen und im Saum eine zuweilen beachtliche Weite von 780 cm aufweisen. Auch Tageskleider sind mit einer Schleppe gearbeitet. Unverzichtbar bleibt das Korsett, das engst geschnürt wird und der Körperhaltung ein starkes Hohlkreuz gibt.

Sonnenschirm oder Spazierstock, Muffs und Pelzstolen sowie Fächer sind obligate Accessoires.

Die Abendroben erhalten eine betont liebliche Note, sind doch der beliebteste Aufputz in diesem Jahr Rüschen und Volants. Spitzen sind auf Einsätze reduziert und »dichteren« Stoffen wie Voile oder Musselin auf Seide gewichen. Weiß und Pastelltöne werden neben aufkommendem Millefleurs (Streublumenmuster) favorisiert. Der aufwendigen Eleganz dienen Tülleinsätze mit gestickten Hortensien oder Wasserlilien oder schmale Bordüren aus Zobel.

Kostüme sind äußerst schlicht gehalten und aus schweren Wollstoffen mit Nadelstreifen oder Fischgrät. Die Jacken sind fast knielang, auf Taille und mit Revers gearbeitet, die Röcke aber behalten die Schleppe. Die sachliche Linie wird durch ein Herrenhemd mit steifem Umlegekragen und Krawatte zusätzlich betont. Auffallend sind im Winter die modischen Samtkostüme, die einen weiblichen Stil verraten.

Pelzmäntel sind ein standesgemäßes Muss: Karakul in Weiß mit Saumbordüre und breitem Schalkragen aus schwarzem Biber, Chinchilla mit Spitzenüberwurf, oder Zobel. Für die sportliche Jacke wird 1904 von der modischen Dame Fischotter bevorzugt.

Aktuell ist die Mode für den Automobilsport, die weite Übermäntel bringt und große Schleier, die Hut und Gesicht schützen.

In Paris wird die Haute Couture von Häusern wie Worth, Doucet, Paquin und Chéruit bestimmt. Daneben macht Paul Poiret, der 1903 ein eigenes Geschäft eröffnete, von sich reden. Seine Ideen entsprechen nicht immer ganz der allgemeinen Modelinie, sondern lassen Fernöstliches anklingen. Die neuesten Modelle werden vorzugsweise auf den eleganten Rennplätzen Europas vorgestellt.

Neben der von Paris bestimmten Mode gilt dem Reformkleid großes Engagement seitens vieler Künstler, Mediziner und Frauenrechtlerinnen. Ihre gerade hängende Form lässt diese Mode ganz ohne Korsett, höchstens mit einem sog. Reformmieder auskommen. Unpraktisch bleibt nur die rundum schleppende Länge. Die meisten Modelle sind aus schweren Wollstoffen oder Samten und mit Jugendstilmustern bestickt.

Den Anhängerinnen des Reformkleids geht es um individuelle, selbst gestaltete Kleidung, die von der Pariser Mode weitgehendst unbeeinflusst ist. So fordert Anna Muthesius in ihrem Bericht über »Die Ausstellung künstlerischer Frauenkleider im Warenhaus Wertheim-Berlin« (in: Deutsche Kunst und Dekoration, Bd. XIV, 1904): »Könnte man erst gute Farben und Stoffe in jedem Laden als deutsches Fabrikat preiswert kaufen, so würde damit nicht nur den großen Toiletten der reichen Frauen, sondern auch dem im engen Hinterstübchen mit der kleinen Schneiderin im Hause gearbeiteten Eigenkleide ein sehr großer Dienst geleistet sein.«

Auch Alfred Mohrbutter setzt sich in seinem 1904 erscheinenden Buch »Das Kleid der Frau« mit eigenen Entwürfen und Modellen von Peter Behrens, Henry van de Velde, Else Oppler, Anna Muthesius und anderen für die künstlerische und individuelle Gestaltung des Frauenkleides ein.

Chroniknet