Frauen trippeln unter gigantischen Hüten

Frauen trippeln unter gigantischen Hüten
Les Modes 1910, Photograph in Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. By Félix [Public domain], via Wikimedia Commons

Mode 1910:

Les Modes 1910, Photograph in Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. By Félix [Public domain], via Wikimedia Commons

Les Modes 1910, Photograph in Les Modes : Revue mensuelle illustrée des arts décoratifs appliqués à la femme. By Félix [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Mode von 1910 steht im Zeichen des Humpelrocks. Dieser fällt gerade und lose bis zu den Waden, wird aber unterhalb der Knie bis zum Saum durch eine enge Passe zusammengehalten, so dass die Frauen nur noch trippeln können. Außerdem lässt der Humpelrock die Füße bis zu den Knöcheln sehen. Paul Poiret, der international anerkannte Pariser Couturier, ist der Schöpfer dieser Modelinie. Seinem Kommentar »Ich habe die Büste aus der Gefangenschaft befreit, den Beinen jedoch Fesseln angelegt« schlägt eine Welle der Entrüstung entgegen, besonders vonseiten der Frauenrechtlerinnen. Manche modebewusste Dame verbindet ihre Beine durch Fußfesseln aus Litzenband, um ein Zerreißen des Rocks durch zu große Schritte zu verhindern, verzichtet jedoch – ganz im Sinne Poirets – auf das Korsett.

In die Alltagsmode umgesetzt ergeben sich Kleiderröcke, deren Weite in Wadenhöhe gebauscht ist und von einer breiten, engen Blende zusammengerafft wird. »Beim Gehen wirken diese gebauschten Röcke sehr unvorteilhaft und unschön«, urteilt die »Wiener Mode« in ihrer Juli-Ausgabe.

Im Allgemeinen dominiert Poirets Empire-Stil: Eine schlanke Kleidmode mit knie- bis wadenlanger Tunika über einem bodenlangen, zum Teil schleppenden Rock. Die Tuniken sind aus durchsichtigem Musselin, so dass stets das untere Kleid durchschimmert, und enden in einer breiten, mit Blumen oder Ranken bestickten Bordüre.

Poiret hält an starken, expressiven Farben fest, die jedoch in der allgemeinen Mode gemildert übernommen werden.

Kostüme werden in diesem Jahr auch im Frühjahr und Sommer gern getragen. Sie sind aus kühlen Materialien wie Leinen, Schantungseide, Voile oder Foulard. Mit den Sommerkostümen kommen duftige Blusen aus gemustertem Tüll oder Batist mit Spitzeneinsätzen oder Àjour-Stickerei in Mode. Der Kostümrock ist gerade und eng und weist um den Saum eine breite Faltenpasse oder eine Bordüre mit auffallendem Mäandermuster aus Posamentschnüren auf. Glocken- und ausgestellte Bahnenröcke sind hingegen passé.

Die Modejournale stellen für den Sommer außerdem neuartige »Umhüllen« als dekorative Ergänzung zum Kleid vor. Diese Umhüllen haben die mannigfaltigsten Schnitte – Ärmelplaid, Kaftan, großer Schal oder ein vorn bis zu den Knien auslaufender Kragen. Sie sind aus durchsichtigem Gewebe, Spitze, Marquisetteseide oder Tüll und mit Soutachebörtchen, Àjour-Leistchen, Bändchenfransen oder Ähnlichem verziert.

Mehr der eleganten Dame vorbehalten ist der Mantel. Er ist knöchellang und fast bis zum Boden zweireihig oder asymmetrisch geknöpft, wodurch ein bequemes Ausschreiten stark eingeschränkt wird. Der elegante Mantel weist mit Vorliebe breite Spitzenkragen und Spitzenmanschetten auf.

Als Ausgleich zur schlanken Kleidmode sind die Hüte überdimensional groß. Außerdem zeigen sie die verschiedensten Formen: Mit extrem breitem, geschwungenem Rand, der mit einer überdimensionalen Schleife und langen, lila eingefärbten Pleureusenfedern, Kornähren oder Rosengirlanden aufgeputzt ist; riesige Toquen weisen im Sommer Edelweißblüten, im Winter echte Brillantspangen auf. Um diesen Hutgebilden auf dem Kopf der Dame Halt zu geben, ist der Hut auf einem Bügel oder passenden Innenhut aufgenäht oder mit einer Hutnadel festgesteckt.

Chroniknet