Nachrichtenfernübermittlung macht rasche Fortschritte

Wissenschaft und Technik 1914:

Beherrschendes Thema auf technischem Sektor ist der Fortschritt auf dem Gebiet der drahtlosen Nachrichtenübermittlung. Institutionell äußert sich der Aufschwung der Naturwissenschaften vor dem Ersten Weltkrieg in der Gründung zahlreicher technischer Forschungseinrichtungen.

Ein markantes Beispiel für die Entwicklung der Telegrafie ist die offizielle Eröffnung einer drahtlosen Verbindung zwischen dem deutschen Sender Nauen (bei Berlin) und der US-amerikanischen Station Sayville (Long Island bei New York) am 12. Februar. Die 5200 km lange Verbindung – erste Versuche datieren vom 15. Januar 1913 – wird mit einer Hochfrequenz-Maschine mit Frequenz-Verdoppelung nach dem System Arco (Antennen-Energie: 100 kW) betrieben. Bis zum US-amerikanischen Kriegseintritt 1917 wird die Linie Nauen-Sayville zur wichtigsten Leitung für deutsche Nachrichten ins Ausland.

Gleichzeitig sind alle deutschen Kolonialgebiete mit mindestens einer Station für drahtlose Telegrafie ausgerüstet. Am 14. März gelingt erstmals ein drahtloser Kontakt zwischen Nauen und Windhuk (Südwestafrika; heute Namibia). Während die Geschichte der drahtlosen Telegrafie erst um 1900 begann, gibt es bereits seit 1858 eine Kabelverbindung zwischen Europa und Nordamerika. 1914 umfasst das Netz der drahtgebundenen Telegrafie weltweit eine Strecke von insgesamt 519 346 km.

Die theoretischen Fortschritte innerhalb der Naturwissenschaften, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von den Geisteswissenschaften gelöst hatten, führen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zur Gründung zahlreicher Forschungsinstitute. Sie schaffen eine Basis für die praktische Verwertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse (u. a. auch auf militärischer Ebene). Beispielhaft für diese Entwicklung stehen 1914 die Einweihung des Instituts für Pflanzenphysiologie in Berlin am 22. Mai, des Kohleforschungsinstituts in Mülheim an der Ruhr am 27. Juli sowie der Neubau des Physikalischen und Radiologischen Instituts in Heidelberg. Die zuletzt genannte Einrichtung ist der Heidelberger Universität angegliedert und zählt den deutschen Physiker und Nobelpreisträger des Jahres 1905, Philipp Lenard – er entwickelte u. a. 1903 ein Atommodell -, zu seinen Mitarbeitern. Die neue Radiologie-Abteilung findet insbesondere wegen des Interesses an dem erst 1898 entdeckten radioaktiven metallischen Element Radium im Zusammenhang mit der Krebsbekämpfung Interesse. Die hochgesteckten Erwartungen in die Bestrahlungstherapie erweisen sich allerdings als trügerisch.

Erkennbare praktische Fortschritte zeigt dagegen das Gebiet der Elektrotechnik. So trägt sie beispielsweise zur Umwandlung von Hausmüll in Heizkraft und elektrische Energie bei. Dabei werden die Heizgase der Öfen städtischer Müllverbrennungsanlagen unter Dampfdruck ausgenutzt und die aus der Dampfkraft gewonnene Elektrizität zur Beleuchtung und Kraftübertragung verwendet.

Auch einzelne Forscher treten 1914 hervor: Der britische Physiker und Nobelpreisträger 1908 Ernest Rutherford entwickelt theoretische Voraussagen über die künstliche Umwandlung von Atomkernen, die ihm 1919 durch den Beschuss von Stickstoff mit Alphastrahlen gelingt. Mit seinem 1911 entstandenen Atommodell zählt Rutherford zu den bekanntesten Physikern des 20. Jahrhunderts.

Dem deutschen Chemiker Paul Duden gelingt 1914 erstmals eine Essigsäuresynthese. Künstliche Essigsäure findet u. a. in der chemischen Industrie bei der Herstellung von Farbstoffen Verwendung, wird aber auch bei Arzneimitteln des Öfteren benutzt.

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