Reallöhne sinken – die Preise steigen

Arbeit und Soziales 1918:

Das Jahr 1918 ist bis zur Novemberrevolution von Vollbeschäftigung in praktisch allen Industriesparten geprägt. Gleichzeitig garantiert ein regelmäßiges Familieneinkommen aber nicht, dass die Bevölkerung auch ausreichend mit Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt wäre. Vielmehr ist die Überzahl der immer knapper werdenden Lebensmittel nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen – zu Wucherpreisen. So kostet etwa nach einem Polizeibericht aus Berlin ein Pfund Butter 24 Mark. Für ein Ei verlangen die Schwarzhändler 1,50 Mark.

Bemerkenswert ist, dass sich im Lauf des Krieges die Löhne der Frauen prozentual den Einkommen der Männer genähert haben. Frauen verdienen 1918 mit durchschnittlich 5,41 Mark pro Tag 138% mehr als noch 1914. Männer haben nur eine Einkommenssteigerung von 112% zu verzeichnen, doch verdienen sie im Schnitt immer noch fast das Doppelte wie die Frauen, nämlich 10,26 Mark pro Tag.

Die größere Einkommenssteigerung der Frauen ist auf ihre neuen Einsatzgebiete in der Industrie zurückzuführen. Durch den Abzug der Männer an die Front sind Frauen in alle Arbeitsbereiche eingedrungen, die zuvor ausschließlich Männern vorbehalten waren. Sie profitieren so von dem hier herrschenden höheren Lohnniveau. So ist die gesamte Rüstungsindustrie im Produktionsbereich ohne Frauen nicht mehr denkbar.

Die Politiker versäumen jedoch nicht, die Frauen immer wieder darauf hinzuweisen, dass ihre eigentliche Rolle die der Hausfrau und Mutter ist und dass sie diese nach der Rückkehr der Männer im Interesse des Volkswohls auch wieder einzunehmen haben. Besonders die staatlichen Betriebe versichern, dass zurückkehrende Soldaten anstelle der Frauen eingestellt würden.

Wie schon im Vorjahr wird auch 1918 durch eine Zunahme wilder Streiks immer deutlicher, dass die Industriearbeiterschaft die Politik des »Burgfriedens« kaum noch unterstützt.

Chroniknet