»Langsam geht uns der Sinn fürs Zivil wieder auf«

Mode 1919:

Die Mode steht zu Beginn des Jahres im Zeichen der Vermeidung jeglicher Extravaganzen. Einfache, gerade Kittelkleider mit loser, entweder hoch- oder tiefliegender Gürtung dominieren. Der Saum ist wadenlang und leicht eingezogen, so dass eine fassartige Linie entsteht. Schwarz ist die vorherrschende Farbe, vor Grau, Dunkelblau oder Lila.

Im Sommer wird die Mode lieblicher und einfallsreicher. Kleider mit Volantröcken und Tuniken aus weißem Batist oder Bastseide mit Weißstickerei tauchen auf. Wer auf sich hält denkt wieder an modisches Äußeres für die Sommerfrische ebenso wie an Strand- und Badekleidung für die Ostsee, wo »das freche Badekleid aus Taft mit dem Trikotanzug rivalisiert«.

Für Herbst und Winter propagieren die Modejournale eine neue Linie. »Man kultiviert seitliche Tütentaschen sowie eine Fülle von Raffungen und Volants, die rund um die Röcke laufen oder sich bemühen, die Hüftlinie zu verbreitern.« Gleichzeitig wagt die Dame abends ein tiefes, eckiges oder spitzes Dekolleté, das – wenn bis zur Taille reichend – mit einem Satin oder Lingerie Einsatz versehen ist. »Langsam geht uns der Sinn fürs Zivil wieder auf«, schreibt die »Elegante Welt« über die Herrenmode. »Noch ist das moderne Sakko ein Kleidungsstück halb englische Offiziersuniform, halb Bergsteigeranzug, halb Kommisbluse. Wir sehen darin aus, wie >Mars auf Urlaub<. Kein Sakko ohne die praktische Brusttasche und den gewohnten Gürtel.«

Wegen der noch schlechten Stoffe – vielfach wird der alte Uniformrock umgearbeitet – ist man gezwungen, dem Sakko Halt durch Steifleinenfutter zu geben. Man spricht vom sog. Stehbrustsakko. Dieses ist äußerst knapp (körpernah) geschnitten und hat eine sehr hoch liegende und enge Taille. Die Hosen sind um den Bund bequem gearbeitet und werden zum Saum hin eng, die sog. Korkenzieherhosen. Sie haben einen schmalen Umschlag und enden oberhalb der Knöchel, weshalb häufig Gamaschen getragen werden.

Chroniknet