Innovation statt Massenproduktion

Auto und Verkehr 1921:

Die Verbreitung des Automobils hat im Deutschen Reich drei Jahre nach Ende des Weltkriegs kaum zugenommen: Mit 60 966 Kraftwagen liegt der Bestand nur um rund 5000 höher als 1914.

Die Gründe für die nur langsam wachsende Motorisierung sind vielfältig. Die deutsche Automobilindustrie hatte zuvor weitgehend für die Bedürfnisse des Heeres produziert und ab 1918 ausnahmslos Vorkriegsmodelle in geringen Stückzahlen auf den Markt gebracht. Die wirtschaftlich unsichere Lage hat auch 1921 noch keinen ausreichenden Absatzmarkt entstehen lassen. Keiner der rund 80 deutschen Autobauer hat bisher die Fließbandfertigung eingeführt, die 1912 in den USA von Ford entwickelt und 1919 in Frankreich von Citroën übernommen wurde. Den Import dieser vergleichsweise billigen Fahrzeuge versucht die Reichsregierung mit erhöhten Zöllen einzudämmen.

Anstatt Autos in Großserie herzustellen, verlegen sich die deutschen Konstrukteure auf unkonventionelle Methoden des Fahrzeugbaus. Spektakulärste Neuerscheinung ist das Tropfen-Auto von Edmund Rumpier. Die vom Flugzeugbau bekannte Tropfenform wurde auf Karosserie und Fahrgestell des Wagens übertragen, dessen 35-PS-Motor das windschnittige Auto (Luftwiderstandsbeiwert 0,28) auf eine Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h beschleunigt.

Auffallend bei vielen Neukonstruktionen ist die Verwandtschaft zum Bootsbau und Flugzeugbau, was sich nicht zuletzt aus dem Wechsel von Ingenieuren aus diesem Bereich in die Fahrzeugbranche erklärt. So wird das »Rivo-Luftschraubenauto« von einem Propeller im Heck bewegt, und zahlreiche kleinere Wagen sind mit einer Karosserie aus Leichtholz versehen.

Chroniknet