Kabarett und Kino für die jungen Städter

Politik und Gesellschaft 1921:

So normalisiert sich unter diesen Umständen der Alltag in der Nachkriegszeit nur mit Verzögerung. Auch die Vergnügungsmöglichkeiten bleiben eher bescheiden. Ein interessantes Freizeit- und Kulturangebot ist vorerst nur den Großstädtern beschieden, und auch hier klaffen die sozialen Gegensätze weit auseinander. Die Jugend der Oberschicht hat die Hand am Puls der Zeit, entdeckt den Jazz und mit ihm neue Modetänze. Vor allem die Kleinkunst erlebt mit einem Boom des Kabaretts ihre erste Blüte.

Die Kinos finden immer mehr Zulauf und bieten auch Menschen mit weniger gefülltem Portemonnaie etwas Abwechslung. Wohl werden im Deutschen Reich keine Kassenschlager wie Charlie Chaplins »The Kid« produziert, der in den USA ein Millionenpublikum in die Lichtspielhäuser lockt. Der deutsche Film ist dennoch auf dem Weg, eigene Ausdrucksformen zu entwickeln. Leopold Jessners »Die Hintertreppe«, Fritz Langs »Der müde Tod« und Lupu Picks »Scherben« verarbeiten die Nachkriegsrealität, indem sie Sozialkritik mit expressionistischen Stilelementen verquicken. Joy Mays »Das indische Grabmal« und Ernst Lubitschs »Die Bergkatze« hingegen verhelfen dem Publikum durch exotische Abenteuer und amüsante Einlagen zur Flucht aus den Sorgen des Alltags.

Chroniknet