Im Zweifelsfall für Qualität

Ernährung, Essen und Trinken 1951:

Volle Schaufenster sind schon fast wieder eine Selbstverständlichkeit, was den Deutschen ein – allerdings trügerisches – Gefühl der Sicherheit vermittelt. Etwa 40% der benötigten Grundnahrungsmittel kommen immer noch aus dem Ausland. Der Umfang der Nahrungsmitteleinfuhren wird von Politikern weiterhin als besorgniserregend angesehen, gleichzeitig entwickelt sich die inländische Erzeugung, die mit 104% zum ersten Mal das Niveau des Vorkriegsstandes überschreitet, deutlich positiv.

Beachtlich ist die Steigerung des Pro-Kopf-Fleischverbrauchs, der sich innerhalb von nur zwei Jahren mit 36,6 kg mehr als verdoppelt hat. Wo es nicht mehr um die Sicherung des Allernotwendigsten geht, treten andere Bedürfnisse in den Vordergrund. »Qualität« heißt die Zauberformel, nach der die deutsche Hausfrau ihren Einkaufskorb füllt – auch wenn es dann etwas teurer wird. Ernst Schröder, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Gemüse-, Obst- und Gartenbaus berichtet von folgendem in Frankfurt am Main durchgeführte Experiment: Zwei Ladungen Birnen von gleicher Qualität wurden einmal mit »40 Pfennig« und einmal mit »80 Pfennig« ausgezeichnet und zum Kauf angeboten. Während die preisgünstigeren Birnen liegenblieben fanden die anderen reißenden Absatz. Nach einem Austausch der Preisschilder wurden wiederum die billigeren Birnen vernachlässigt. Ganz offensichtlich vermuten die deutschen Hausfrauen hinter einem höheren Preis auch eine bessere Qualität und sind bereit, dafür auch mehr zu bezahlen.

Der Verbrauch an Grundnahrungsmitteln, vor allem von landwirtschaftlichen Veredelungserzeugnissen, steigt stetig an.

Der Verzehr von Fisch ging hingegen von 15,2 kg pro Kopf im Jahr 1949 auf 11 kg im Jahr 1950 zurück. Im Jahr 1951 produziert die deutsche Fischindustrie für 20 Mio. DM zusätzlich Fischkonserven, mit dem Ziel, sie in die DDR zu liefern. Der zwischenzeitliche Stopp im Interzonenhandelsabkommen (<!– –>20.9.<!– –>) führt zu einer regelrechten »Fischschwemme«.

Um den Absatz von Fischkonserven anzukurbeln, startet der »Bundesausschuss für volkswirtschaftliche Aufklärung« im Auftrag der Fischwirtschaft eine Kampagne. Unter dem Motto »Hausfrau spare Zeit – Brathering – tischbereit!« macht der Ausschuss mit Erfolg Werbung für schmackhaftes und gesundes Fischfleisch: »Wer einen Brathering aus der Dose von cirka 100 Gramm isst führt seinem Körper wichtige Vitamine, wertvollste Mineralsalze und nicht zuletzt 20 Gramm Eiweiß, 20 Gramm Fett und drei Gramm Kohlenhydrate das sind etwa 280 Kalorien, zu, und wird so ausreichend gesättigt, denn Bratheringe haben den höchsten Sättigungswert. Und das alles für einen Preis von 21 bis 24 Pfennig…«

Diese Werbekampagne, verbunden mit dem Versand von Werbeplakaten an alle 12 000 Fachgeschäfte im Bundesgebiet, bleibt nicht ohne Erfolg: Der Pro-Kopf-Verbrauch steigt 1951 wieder auf rund 13 kg an.

Die Versorgung mit Südfrüchten ist dieses Jahr, besonders gegen Weihnachten, so gut wie noch nie in den Jahren zuvor. In der ersten Dezemberwoche treffen allein in der Münchner Großmarkthalle 385 Waggons Orangen, 169 Waggons Mandarinen und 41 Waggons Zitronen ein. Dazu kommen noch sechs Waggons Datteln und fünf Waggons Feigen. Im Angebot sind Paranüsse aus Brasilien genauso wie Ananas von den Azoren und Erdnusskerne aus China. Weintrauben kommen, in Fässern verpackt, aus Spanien, Kokosnüsse aus Afrika in die bayerische Landeshauptstadt.

Der deutsche Konsument leistet sich bereits hin und wieder ein gutes Tröpfchen. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Wein steigt im Jahr 1951 gegenüber dem Vorjahr von 3 l auf 5 l an. Die deutschen Weinbauern taufen den Jahrgang »Sorgentöter«.

Chroniknet