Kernphysik im Kriegsdienst

Wissenschaft und Technik 1952:

Die wohl größte technisch-wissenschaftliche Innovation des Jahres liefert die Kernphysik – sowohl auf militärischem wie auf friedlichem Sektor. Den Versuchen mit Atom- und Wasserstoffbomben in Großbritannien, den USA und der Sowjetunion stehen die Erfindung der Blasenkammer und die Entdeckung zweier Transuranelemente gegenüber. Sehr erfolgreich ist auch die Entwicklung in der Elektronik – von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung in Industrie, Wissenschaft und Medizin. Im Kommunikationsbereich ist die Einrichtung einer Landesfernwahl der bedeutendste Fortschritt.

Am 1. November überschatten Schlagzeilen aus den USA alle anderen Meldungen aus Forschung und Technik: Auf dem Eniwetok-Atoll zündet eine Kernphysiker-Gruppe unter Führung von Edward Teller die erste thermonukleare Bombe (»Wasserstoffbombe«) der Welt. Das Atoll wird völlig vernichtet. Die Superbombe besitzt die Energie von 10 Mio. t herkömmlichen Sprengstoffs TNT und entspricht 700 Hiroshima-Atombomben. Sie arbeitet nicht mit Kernspaltung, sondern mit Verschmelzung der Kerne der Schwerwasserstoffisotopen Deuterium und Tritium. Noch im selben Jahr zünden auch sowjetische Wissenschaftler eine Wasserstoffbombe. Großbritannien wird 1952 dritte Atommacht.

Im zivilen Bereich profiliert sich die Kernforschung mit der Entdeckung der radioaktiven Transuranelemente Einsteinium und Fermium durch die US-amerikanischen Wissenschaftler Thomson, Albert Ghiorso u. a.

Auf militärischem Gebiet beschert die Elektronik mit der bei Bell in den USA entwickelten Steuerung der Nike-Ajax-Rakete eine neue potenzielle Ära der Kriegführung. In der Forschungsstätte wird aber auch erstmals die Herstellung superreiner Siliziumkristalle nach der sogenannten Zonenreinigung möglich. Dieses reinste Material der Welt (Reinheitsgrad 99,9999%) dient der Erzeugung besonders kleiner und zuverlässiger Halbleiter-Bauelemente. Hierdurch wird die Voraussetzung für integrierte Schaltungen mit elektronischen Bauelementen geschaffen. Diese benötigen weniger Platz und ermöglichen z. B. in Computern wesentlich kürzere Rechenzeiten. Die Grundidee dafür entwickelt 1952 der Brite G. W. A. Dummer vom Royal Radar Establishment.

Eine Grundsatzerfindung in der Elektronik macht der Ingenieur R. Zwoboda mit Magnetrons und Klystrons, die im Mikrowellenbereich arbeiten. Diese neuartigen Elektronenröhren finden zunächst bei Richtstrahlern (Sender mit scharfer Bündelung) und im Radarbereich Anwendung. Später werden sie in Mikrowellen-Wärmegeräten wie beispielsweise Herden und Therapiegeräten eingesetzt. Die elektronische Regelungs- und Steuerungstechnik entdeckt neue Einsatzbereiche bei Werkzeugmaschinen. Das Massachusetts Institute of Technology stellt die ersten sog. NC-Maschinen (Numerical Controlled Machines) vor. Diese fertigen Werkstücke in Zusammenarbeit mit einem elektronischen Zeichnungslesegerät an. Neu auf dem Gebiet elektronischer Datenverarbeitung sind die vollständig in Röhrentechnik statt bisher in Relais-Bauweise ausgeführte Rechenanlage »Mark IV« des US-Amerikaners Howard H. Aiken, John von Neumanns Rechenautomat »EDVAC« und die von der Firma IBM entwickelten Magnetdatenspeicher mit Kunststoff-Folie als Trägermaterial. Eine von den europäischen Fernsehanstalten verabschiedete Normung des ausgesandten Fernsehbildes auf 625 Zeilen bestimmt die weitere technische und qualitative Entwicklung des Fernsehens. Der Verkehr macht auf der Schiene – so wird in der Bundesrepublik Deutschland die mit 2000 PS bisher stärkste Diesellokomotive der Nachkriegszeit für den Export nach Brasilien gebaut – ebenso Fortschritte wie zu Wasser: Als erstes Schiff unternimmt der Tanker »Auris« eine Ozeanreise mit Gasturbinenantrieb.

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