High-Tech bestimmt Trend

Wohnen und Design 1979:

Ein neuer Trend zeichnet sich 1979 in der Innenarchitektur ab: High-Tech verwendet Werkstoffe und Einrichtungsgegenstände aus Industrie, Gewerbe oder gar Krankenhaus im Wohnbereich.

Das Kunstwort High-Tech – zusammengesetzt aus den englischen Begriffen High-Style und Technology – wurde geprägt von den New Yorker Fachjournalistinnen Joan Kron und Suzanne Slesin. Sie äußern sich in ihrem 1979 erschienenen Buch gleichen Titels ausgesprochen optimistisch über die Zukunftsaussichten dieses von ihnen propagierten Trends: »High-Tech wird bald ein allseits anerkannter Stil sein.«

Die Idee für diese neue Strömung verdanken die Designer – wie so viele Ideen – der Alltagswelt: Mangels Geld für Neuanschaffungen kamen Ende der 60er Jahre Studenten in den USA auf die Idee, sich ausrangierte Stahlregale, Traktorensitze oder Fabriklampen in die Wohnung zu holen. Alles, was brauchbar war und möglichst wenig kostete, wurde verwendet.

Mit einer Verzögerung von einem Jahrzehnt findet diese Idee nun auch Eingang in die Innenarchitektur und die Ladengestaltung: Stahlplatten mit Anti-Rutsch-Profil wie auf Schlachtschiffen der US-Marine ersetzen die empfindlichen Teppiche, Fußbodenbeläge mit genopptem Gummibelag »verzieren« die Wände, schwarzlackierte Lochbleche werden statt Massivholz als Werkstoff für Stereo-Racks verwendet, Stahl-Regale mit Lagerhaus-Charme bergen anstelle von Kiefernmöbeln die wertvolle Hausbibliothek.

Im Zeichen der neuerwachten Lust an der Technik erlebt die Neonröhre – lange Zeit zur Büro- oder Kellerbeleuchtung degradiert – ein Comeback im Wohnbereich. Vor allem Designer in den USA haben das Licht aus der Leuchtröhre wiederentdeckt. Euphorische Stimmen bezeichnen das kalte Licht mit dem leisen Knistern sogar als bestimmendes Element der Licht-Innenarchitektur der Zukunft.

Protagonist dieses Trends ist der US-Amerikaner Rudi Stern, der als Video-Künstler begann, sich dann 1972 auf das Neon-Design verlegte und Anfang 1979 in Paris eine Europa-Dependance seiner New Yorker Lichtgalerie eröffnet.

Hier sind die Objekte des Künstlers – schwellende Neon-Lippen oder leuchtende Neon-Kleiderbügel – zu bewundern. Sogar vor Möbeln macht diese Entwicklung nicht Halt. Es gibt bereits Sitzmöbel in Form von Plexiglas-Würfeln, in deren Innern Neonröhren in knalligen Farben aufleuchten, Neon-Schreibtische und transparente Betten mit bunten Neon-Konturen. In einem neuerschienenen Buch mit dem programmatischen Titel »Let there be Neon« (Es werde Neon) rühmt Stern die Licht-Reklamen von Las Vegas als »genuine Umsetzung« vom »Amerikanischen Traum«.

Als ein Land, in dem die Vorlieben für Architektur und Design der Zukunft mitbestimmt werden, gilt seit Mitte der 70er Jahre Italien. Die 1976 gegründete Designer-Gruppe »Alchimia« hat durch ihre Kritik an einem rein funktionalen Wohnen für Furore gesorgt. Sie will Funktion durch Fantasie ersetzen: Ihre Möbel – Stühle mit spitz zulaufenden Sitzflächen, Tische aus Astgabeln oder Sofas aus Blech – widersprechen optisch der von ihnen erwarteten Funktion.

Chroniknet