Viel Stoff und stark gepolsterte Schultern

Mode 1981:

»Keine Mode, um in Ohnmacht zu fallen«, lautet das Urteil der US-amerikanischen Journalistin Hebe Dorsay anlässlich der Pariser Prêt-à-porter-Schauen im Februar dieses Jahres. Dennoch, trotz aller Konkurrenz, ist Paris das Mekka der internationalen Modepresse. »Der Andrang zu den Schauen der weltberühmten Stilisten, der handgreifliche Kampf ums dabei sein … war wieder enorm und rechtfertigte so die Arroganz des veranstaltenden Chambre Syndical du Prêt-à-porter«, berichtet die Modekritikerin Ursula Peters. In über 30 Defilees zeigen die Modemacher an die 4000 Modelle.

Japanische Einflüsse sind in der internationalen Mode nicht mehr zu übersehen. Die Japaner gestalten Kleidung um ihrer selbst willen, puristisch und bequem, eine Poesie aus Stoff. Issey Miyake zaubert mit seinen weiten Gewändern abstrakte Theatralik hervor. Kenzo Takada stellt in traumwandlerischer Harmonie und auf verschmitzte Weise bunteste Farben und Muster zusammen.

Die Japaner sind es auch, die am meisten den neuen Trend der Kombi-Mode initiieren. Die modedemokratische Haltung verlangt es, dass jede Frau ihre Garderobe frei zusammenstellen kann. Diese Forderung schafft jedoch Unsicherheit bei all jenen, die sich nicht tagtäglich mit Mode auseinandersetzen. Viele sehnen Diors Modediktat der 50er Jahre heimlich herbei, nicht zuletzt Konfektionäre und Modehändler: »Früher brauchten Konfektionäre nur zwei, höchstens drei Schauen der Pariser Haute Couture zu sehen oder zu den berühmten Defilees der Italiener nach Florenz zu fahren, dann wussten sie, wohin der Modehase läuft«, schreibt Mueller-Stindl.

Trotz aller Vielfalt und vielschichtiger Einflüsse kristallisieren sich deutliche Trends heraus: Eine generelle Stofffülle die erfreulicherweise Figurmängel völlig überspielt; überbreite Schultern – bei Mänteln und Jacken kombiniert mit Fledermaus-, Raglan- und Keulenärmeln, welche die Frauen oben noch wuchtiger erscheinen lassen. Auch Kleider haben gepolsterte Schultern, große weiße Spitzenkragen oder flache Halskrausen aus feiner Gaze verleihen ihnen jedoch eine elegantaparte Note.

Das modische Alarmsignal aber heißt: Die Röcke werden kürzer! Mini – diesmal tatsächlich der Jugend vorbehalten – wird mit farbigen Strümpfen und flachen Schlupfstiefeln getragen, so dass eine Art Knappenstil entsteht. Besonders Strick- und Pulloverkleider – häufig mit buntem Jaquard-Muster – sind kurz. Das Haus Dior stellt Sackkleider vor, die durch eine breite Hüftschärpe und den tiefangesetzten gekrausten Rock jugendlich mondän aussehen. Eine zweite Modelänge reicht mindestens bis zur halben Wade und ist allen romantisch weiten Volantröcken vorbehalten. Darunter zeigt Karl Lagerfeld – als Novität – auch Hosen.

Hosen dürfen in diesem Modejahr ohnedies nicht fehlen und unter gar keinen Umständen Pagenhosen. Diese werden aus Wollstoff ebenso wie aus Wildleder und selbst aus glänzendem Satin mit romantischer Rüschen- oder Schleifenbluse getragen. Knieumspielende Bermudas sind zu einer kurzen Liftboy-Jacke besonders aktuell.

Der Einfluss der Punk-Kleidung (in diesem Jahr kein so großes Modethema) sowie verbesserte Verarbeitungstechniken wirken sich auf die Ledermode aus. Weiches handschuhartiges Nappaleder wird in allen erdenklichen Modefarben verarbeitet. Leder hat das Image der Motorradfahrerkluft abgelegt. Die Edelnappalederhose mit Bundfalten wird auch abends zur eleganten Bluse getragen. Breitschultrige Lederkostüme mit auffälliger Velours-Nappa-Musterung sind sehr beliebt. Dem Leder Konkurrenz macht das preiswertere und vor allem waschbare Alcantara, ein Faservlies aus 60% Polyesterfasern und 40% nichtfaserigem Polyurethan. Alcantara spricht vor allem die ältere modebewusste Generation an.

Nachdem Understatement abgebaut und eine neue Modeprestigewelle zu bemerken ist, darf Pelz nicht fehlen. Doch er ist fantasievoller und vielfältiger im Design. Neue Verarbeitungstechniken wie federn, stricken, galonieren und nappieren, bieten Möglichkeiten, mit Pelz zu spielen. Durch Streifen, Würfel und Romben erhält der Pelz eine neue Optik. Die sportliche Dame hingegen trägt langhaarigen Fuchs, Luchs oder Waschbär. Das aktuelle Thema schlechthin ist der reversible Pelz. Je nach Anlass kehrt man Popeline, Loden oder Leder nach außen und den Pelz nach innen oder umgekehrt. Auch Edelparkas werden mit Pelz gefüttert. Daunensteppmäntel halten ebenso bei kaltem Winterwetter warm.

Auch die Stoffe profitieren von der neuen Prestigewelle. Baumwolle und Leinen sind im Aufschwung, während Chemiefasern zunehmend kritisch bewertet werden. T-Shirts und Sweat-Shirts kommen in Massen auf den Markt, mit Vorliebe im Indian-Look, mit langen Fransen an Saum und Ärmeln.

Besonders auffällig nehmen sich in diesem Jahr die modischen Accessoires aus, sind sie doch durchweg goldfarben. Schmale goldene Gürtel, Goldkäferschuhe und kleine goldene Umhängetäschchen gehören dazu, um »in« zu sein. Modegag des Winters sind funktionelle Ohrenschützer aus farbigem Plüsch oder aus Pelz.

»Wir sind rund, na und«, der Titel eines vielzitierten Buches von Anita Höhne und Margit Schönberger, hat auch die Modebranche aufgerüttelt. Ein Aufstand der in der Mode bislang immer stark benachteiligten Übergewichtigen ist losgebrochen. Jugendliches und Flottes wird nur für Schlanke angeboten, alles über Größe 42 gilt bereits als »elefantös«; dem soll abgeholfen werden. Trotz des Aufstandes der Übergewichtigen ist der Schritt zum Schicken für Mollige noch zaghaft und unsicher. Der Trend zum Legeren und Überweiten bestimmt auch die Herrenmode. Sakkos und Mäntel haben Schulterpolster, denn nichts darf zu eng ausfallen. Wer unbedingt im Modetrend liegen will, macht es den Frauen nach und trägt Golfhosen. Für den dynamischen Jungmanager hat sich die Edelnappahose durchgesetzt. Blousons aus pelzgefüttertem Leder oder aus Daunenstepp ebenso wie Understatement-Parkas und Cord-Hosen bestimmen seine Freizeitkleidung.

Chroniknet