Zuwachs bei Privat-TV

Werbung 1988:

Die westdeutsche Werbewirtschaft gehört auch 1988 zu den Wachstumsbranchen. Im Kampf um den Kunden lassen sich die Unternehmen ihre mehr oder weniger gelungenen Werbekampagnen einiges kosten. Werbung und Marketing sind zu einem bedeutenden Faktor in der Wirtschaft geworden: Allein in der Bundesrepublik Deutschland betragen im Jahr 1988 die Werbeausgaben rund 34,7 Mrd. DM gegenüber 33,4 Mrd. DM im Vorjahr. Bei den Werbeträgern ist ein starker Trend zu den elektronischen Medien, vor allem zum Fernsehen, zu verzeichnen (plus 13,4%), während die Werbeumsätze bei den Printmedien – Tageszeitungen und Publikumszeitschriften – im Vergleich zu 1987 nur geringfügig steigen (plus 1,8 bzw. 2,5%). Allerdings bleiben die Tageszeitungen mit einem Anteil von 20,6% am Gesamtumsatz größter Werbeträger in der Bundesrepublik.

Hauptursache für den Vormarsch der elektronischen Medien auf dem westdeutschen Werbemarkt ist die Einführung des Privatfernsehens, wodurch sich das Angebot an Werbeplätzen stark erhöht. Für die Privatsender RTL und SAT. 1 gelten zudem besondere Richtlinien, die ihnen einige Wettbewerbsvorteile gegenüber ARD und ZDF verschaffen. So dürfen sie auch nach 20 Uhr Reklame ausstrahlen und ihre Sportübertragungen oder Spielfilme durch Werbeblöcke unterbrechen. Der Medienstaatsvertrag von 1987 erlaubt den Privatsendern, bis zu 20% ihrer täglichen Sendezeit Werbespots vorzubehalten. Die Privatsender bieten auch eine neuartige Form der Fernsehwerbung an, das sog. Teleshopping, bei dem in einem Studio zahlreiche Produkte präsentiert werden. Die Zuschauer können sie per Telefon bestellen.

Wen die Flut der Werbung insbesondere in seinem Briefkasten stört, erhält 1988 juristische Rückenstärkung. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass man sich durch einen Aufkleber oder briefliche Mitteilung an die Firmen vor dem Empfang von Werbebroschüren schützen kann. Zuwiderhandelnde Firmen müssen demnach mit einer Unterlassungsklage rechnen.

Im Bemühen um Witz, Originalität und optisch ansprechende Gestaltung können einige Agenturen mit besonders gelungenen Einfällen aufwarten, die bei Fachleuten der Branche Anerkennung finden. So wird die Kampagne der Brauerei Schlösser vom westdeutschen »Art Directors Club« ausgezeichnet. Das Produkt Altbier wird von Schauspielensembles, bekannten Kunstmäzenen oder Rechtsanwälten präsentiert, die alle auf einem roten Sofa in ihrem Arbeitsbereich Platz genommen haben. Auf den Plakaten werden, mit einem Augenzwinkern, Geschichten von Arbeit und genussreicher Entspannung erzählt. Wer ein Produkt zu verkaufen hat, das weniger durch hervorragende Qualität und glänzendes Image als durch den niedrigen Preis überzeugen soll, wie z.B. die Autos der unteren Preisklasse von Fiat oder Lada, setzt auf Pfiffigkeit und Provokation. So kokettiert Lada mit biederem Design und vergleichsweise karger Ausstattung seiner Fahrzeuge und stellt mit flotten Sprüchen Solidität und »Ehrlichkeit« heraus. Freche Texte sind auch das Kennzeichen der Fiat-Kampagne für den Kleinwagen »Panda«. So machen sich die Anzeigen mit der ironischen Beschreibung von Ausstattungsmerkmalen über die oft martialische Werbung für weit teurere Modelle lustig.

Für Aufsehen sorgt u.a. eine Anzeigenserie der Cognac-Marke Hennessy, bei der sich der Firmeninhaber selbst in spaßig-grotesken Szenen abbilden lässt und so mit seiner Person für die Qualität des Produkts einsteht.

Auch in der Fernseh- und Kinowerbung wird zunehmend mit Witz und Ironie gearbeitet. Das biedere Anpreisen von Produkten weicht komischen Spielszenen, in denen mitunter auch die Tücke des Objekts, etwa bei der Werbung für Maggi-Suppen, und nicht die Beschaffenheit der Produkte im Mittelpunkt steht. Von einer solchen Werbung, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, versprechen sich die Agenturen eine starke Wirkung auf das Käuferverhalten.

Chroniknet