Wadenlang – hochgeschlitzt

Mode 1992:

Designer propagieren wadenlang. Dabei wird eine sportlich-feminine Linie angestrebt, die keineswegs ältlich wirkt. Das Bein soll trotz des wadenlangen Saums weiterhin im Blickpunkt stehen, weshalb enge Röcke hochgeschlitzt werden oder Wickelröcke bis zur Taille offen bleiben, so dass der Blick auf darunter getragene Shorts fällt.

Mit der neuen Länge verändern sich auch die Proportionen. Eine schmale, sehr weibliche Slim- oder Bodylinie vermittelt die neue Silhouette der Körperbetonung. Jacken und Blazer sind auf Figur geschnitten.

Jugendlich wirkt eine romantisch-sportive X-Linie, bei der es auf die Taillenbetonung ankommt. Weite Blusen und Pullover mit betonter Oberweite werden in einen Glockenrock oder eine Bundfaltenhose gesteckt. Sommerkleider sind im Hemdblusenstil geschnitten mit beschwingtem Glockenrock und engem, breitem Gürtel.

Unter Kostümjacken werden nicht mehr Blusen, sondern Spitzenbodies oder Lingerietops getragen. Der italienische Designer Giorgio Armani bringt Bra-Tops mit betonten Fischbeinnähten unter edlen Hosenanzügen. Diese Kombination vermittelt einen kühlen, femininen Touch. Wer es bequem will, trägt jedoch weiterhin die H-Linie mit lose fallendem Oversize-Pullover zu einem kurzen engen Rock oder zu Leggings.

Leggings bleiben eines der beliebtesten Kleidungsstücke der Frau. An Bequemlichkeit und Vielseitigkeit sind sie kaum zu übertreffen, ob aus Jersey als Hausbekleidung oder aus Lurexlycra für die Disco. Leggings werden im Dreierpack im Supermarkt angeboten. Andrerseits sind sie auch Prestigekleidung, wenn vom italienischen Stardesigner Gianni Versace in neobarocken Mustern oder mit Marilyn-Monroe-Gesichtern.

Weiterhin in Mode sind romantische Tütüröckchen, die nun einen sportiven Kontrast durch kurze Jeansjacken – zuweilen mit goldenen Nieten verziert – erhalten. Extremer dazu wirkt eine Perfecto-Jacke, jene kurze Motorradjacke, die einst Marlon Brando in »Die Wilden« trug. Karl Lagerfeld kombiniert sowohl Jeans- als auch Lederjacken zu Chanel-Kostümen, Versace zu seidenen Cocktailkleidern mit neobarockem Muster.

Der kurze, so beliebte Swinger-Mantel der letzten Jahre ist endgültig »out«. Als Kontrast zur schmalen Linie ebenso wie zur beliebten Minilänge steht der wadenlange Mantel in lose fallender Herrenfasson mit breiten Revers. Die sportlichen Alternativen sind lange Parkas in Pastellfarben aus federleichten Microfasern.

Einen konservativen Chic vermittelt die englische Prestige-Öljacke, die Barbour-Jacke (auch als Steppjacke) in Jägergrün, Holzfällerbraun oder Marineblau mit Cordsamtkragen. Dazu sind schmale Jeans und Polostiefeletten oder klassische Loafer in Mode. Die Barbour-Jacke passt zum ultrakonservativen englischen Country-Stil des Amerikaners Ralph Lauren. Er bringt Kaschmirpullover und englische Twinsets der 50er Jahre zu klassischen Flanellhosen, ein Stil, der gerade bei jungen Frauen der Upperclass auch in Deutschland sehr beliebt ist. Lauren schwört auf Naturfasern wie Wolle und Leinen, die eingehen und wrinkeln.

Mode und Ökologie ist besonders in Deutschland ein heißes Thema geworden. Einige Konfektionäre führen eine Öko-Linie ein, wie die Ecology-Linie »Awakenings« von Britta Steilmann oder die »ecollection« von Esprit. Der »Öko-Tex Standard 100« europäischer Texilforschungsinstitute ist auf dem besten Weg, zum international anerkannten Öko-Zeichen für Textilien und Bekleidung zu werden. Es steht für umweltschonende Produktionsverfahren und schadstoffgeprüfte Textilien. Das ökologische Verbraucherbewusstsein lässt jedoch in der Mode noch zu wünschen übrig. Beklagt werden mangelnder Konsens der Hersteller und zu wenig Aufklärung der Verbraucher. Aber die Ablehnung gegenüber Öko-Mode scheint auch am negativen Image des schlabbrigen Müsli-Looks der 70er Jahre zu liegen.

Chroniknet