Das Konzept der Hartz-Kommission

Arbeit und Soziales 2002:

Angesichts der Tatsache, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit seinem Ziel, bis Herbst 2002 die Arbeitslosenzahl in Deutschland auf 3,5 Mio. zu drücken, gescheitert ist, werden die Ankündigungen von Peter Hartz, bis 2005 die Zahl der Erwerbslosen auf 2 Mio. zu halbieren, mit Skepsis aufgenommen. Der VW-Personalvorstand ist von der Bundesregierung nach dem Skandal um Arbeitsamtsstatistiken an die Spitze einer 15-köpfigen Kommission berufen worden, die Vorschläge für eine Reform der Arbeitsvermittlung ausarbeiten soll. Das Gremium, dessen Mitglieder gesellschaftlich relevante Gruppen – darunter Arbeitgeber und Gewerkschaften – repräsentieren, legt am 16. August ein Konzept vor, das Eigeninitiative fördern will. Es ist in 13 Kapitel gegliedert:

1. Service für Kunden: Job-Center – alle Anlaufstellen für Arbeitslose werden künftig bei den Arbeitsämtern gebündelt.

2. Familienfreundliche Quick-Vermittlung: Die Vermittlungsdauer soll verkürzt werden, Arbeitslose müssen sich bereits am Tag der Kündigung beim Amt melden. So können die Vermittler schon während der Kündigungsfrist aktiv werden. Ein Arbeitsvermittler soll künftig weniger Arbeitslose betreuen und für die Vermittlung von Alleinerziehenden und Personen, die einen Angehörigen pflegen, einen Bonus erhalten.

3. Neue Zumutbarkeit: Insbesondere für junge Singles werden die Zumutbarkeitsregeln verschärft, die Beweislast wird umgekehrt; künftig muss der Arbeitslose belegen, warum eine ihm vom Arbeitsamt angebotene Stelle unzumutbar ist.

4. Jugendliche Arbeitslose: »Arbeitsmarktfähige Qualifizierungsbausteine«, die eine Ausbildung in Modulen statt in einer starren dreijährigen Lehre bieten, werden schwer vermittelbaren Jugendlichen angeboten; ein »Ausbildungszeit-Wertpapier« sorgt für die Finanzierung weiterer Lehrstellen.

5. Förderung älterer Arbeitnehmer: Einerseits können Arbeitslose ab 55 Jahren auf eine Vermittlung verzichten, erhalten dann aber deutlich weniger Geld. Andererseits sollen für diese Gruppe die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden, etwa durch eine Lohnversicherung, die Einbußen bei Annahme einer schlechter bezahlten Stelle teilweise ausgleicht, durch niedrigere Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung oder durch Ausweitung der befristeten Einstellung Älterer.

6. Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe: Neben das Arbeitslosengeld (I) tritt ein Arbeitslosengeld II anstelle der bisherigen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für alle bedürftigen erwerbsfähigen Arbeitslosen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Die Sozialhilfe für nicht erwerbsfähige Arbeitslose wird durch ein Sozialgeld ersetzt.

7. Kein Nachschub nach Nürnberg: Der Appell an die Unternehmen geht dahin, über flexible Arbeitszeitmodelle Entlassungen zu vermeiden – dies wird mit Bonuspunkten bei ihren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung belohnt.

8. Personal-Service-Agenturen: Diese Agenturen, die von den Arbeitsämtern allein oder in Kooperation mit Zeitarbeitsfirmen betrieben werden, stellen Arbeitslose an und verleihen sie an Firmen. Damit wird für die Unternehmen die Schwelle zur Einstellung eines Arbeitslosen gesenkt. Die Kommission hofft, dass Arbeitslose von den Entleihern fest übernommen werden.

9. Ich AG: Arbeitslose können sich mit Zuschüssen des Arbeitsamtes in kleinem Rahmen – Jahresverdienst bis 25 000 € – selbstständig machen; sie werden pauschal mit 10% Steuern

belegt, das Arbeitsamt übernimmt die Sozialversicherung. Durch diese Ich AG, aber auch durch eine Anhebung der Verdienstgrenzen für Mini-Jobs sollen (potenzielle) Schwarzarbeiter aus der Illegalität gelockt werden.

10. Personal, Organisation, Steuerung: Zu den Hauptpunkten der Reform der Bundesanstalt für Arbeit gehören stärker an der Leistung orientierte Bezahlung der Mitarbeiter, Reduzierung des Beamtenanteils und Vergabe von Führungspositionen auf Zeit.

11. Kompetenz-Center: Den Landesarbeitsämtern kommt künftig die Hauptaufgabe zu, die Akteure der Arbeitsmarktpolitik vor Ort miteinander zu vernetzen.

12. Finanzierungspaket: Kleine und mittlere Unternehmen erhalten eine Kapitalspritze, wenn sie einen Arbeitslosen einstellen (Job-Floater). Durch die erhoffte Senkung der Arbeitslosigkeit sollen dauerhaft 19,6 Mrd. € eingespart werden.

13. Masterplan: Die Kommission schließt ihr Konzept mit einem Appell, an der Umsetzung tatkräftig mitzuwirken.

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