Zwiespältige Eindrücke aus dem Zentrum des »neuen Berlin«

Architektur 2002:

Die Chancen, der Berliner Stadtmitte mit qualitätvoller Architektur ein neues Gesicht zu geben, wurden gründlich vertan, meinen die einen und verweisen auf die anspruchslosen Fassadentapeten an vielen Gebäuden rund um den Potsdamer Platz. Dem widersprechen andere unter Hinweis auf das Sony Center mit der großen Freiluft-Halle oder das Regierungsviertel mit Reichstagskuppel, Kanzleramt und Parlamentsgebäuden, deren Letztes, das Jakob-Kaiser-Haus, 2002 seiner Bestimmung übergeben wird. Das von mehreren Architektenteams gestaltete, transparent und leicht wirkende Gebäude wird in der Presse überwiegend freundlich aufgenommen.

Als Paradebeispiel für mangelnden Mut zur Moderne gilt den Kritikern die am 4. Juli 2002 vom Bundestag getroffene Entscheidung, das ehemalige Berliner Stadtschloss am historischen Ort und in den historischen Dimensionen mitsamt den barocken Fassaden wieder aufzubauen. Das Schloss diente vom Anfang des 18. Jahrhunderts – als es unter den Hofbaumeistern Andreas Schlüter und Eosander von Goethe seine endgültige Barockform erhielt – bis zur Abdankung des Kaisers 1918 als repräsentative »Staatsmitte« und wurde nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg 1950 von der DDR-Regierung abgerissen. Befürworter und Gegner sind sich einig, dass das neu-alte Gebäude als eine Art »Universalmuseum« kunst- und naturwissenschaftliche Sammlungen beherbergen soll. Eine Verbindung von Historischem und Modernem versucht das Deutsche Historische Museum in Berlin. Herberge seiner Sammlungen ist das Zeughaus, ebenfalls ein Schlüter-Bau. Das Gebäude erhält 2002 an der Rückseite auf einem Restgrundstück einen modernen Anbau, den der amerikanische Architekt Ieoh Ming Pei entworfen hat. Kritiker halten ihm vor, dass in seinem ambitionierten Gebäude zu viel Fläche für Korridore, Treppenhäuser, Eingangshalle verlorengehe. Peis gläserne Kuppel über dem Innenhof des Zeughauses stößt hingegen auf einhellige Zustimmung.

Chroniknet