Lieber billig als qualitätsbewusst

Ernährung, Essen und Trinken 2005:

Die Deutschen achten, was die Ernährung angeht, besonders darauf, nicht zu viel Geld auszugeben. Nach einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung ist beim Lebensmitteleinkauf für knapp 62% der Deutschen der Preis wichtiger als die Qualität; ähnlich preisbewusst zeigt sich die traditionelle Feinschmeckernation Frankreich, wohingegen in Italien nur ein gutes Drittel der Befragten stärker auf den Preis als auf die Qualität schaut. Dabei sind Lebensmittel in Deutschland ohnehin schon besonders billig. Vergleichbare Warenkörbe kosten in Großbritannien rund ein Drittel mehr, in der Schweiz müssen die Konsumenten sogar das Doppelte bezahlen. Dies liegt vor allem daran, dass die Marktmacht der Discounter in Deutschland groß ist, doch auch der übrige Lebensmitteleinzelhandel hat im Preiskampf der letzten Jahre weit stärker mitgezogen als in anderen Ländern.

Der Wunsch nach immer niedrigeren Nahrungsmittelpreisen drückt nach Ansicht der Landwirtschaft auf die Qualität. Im April protestieren wütende Bauern vor Filialen der Supermarktkette Real, die Vollmilch vorübergehend zum Aktionspreis von 33 Cent je Liter anbietet. Schon dem Erzeuger entstünden Kosten von 36 Cent, sagen die Landwirte. Der Spardruck führt auch zu Bemühungen, die sog. Verderbquote, also den Anteil von Nahrungsmitteln, die vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums nicht verkauft werden, möglichst gering zu halten. Im März schreckt die Meldung, in Real-Filialen sei Hackfleisch mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum neu verpackt, etikettiert und wieder in den Handel gebracht worden, die Verbraucher auf. Die Verbraucherorganisation »Food-watch« sieht den Skandal als »logische Konsequenz« des enormen Preisdrucks. Umdeklariert wurden auch Schlachtabfälle aus Bayern, die eigentlich nur noch zu Katzenfutter oder Knochenmehl verarbeitet werden sollten. Stattdessen gelangen sie, wie im Herbst bekannt wird, an Lebensmittelhersteller, die daraus Wurst machen. Durch eine Rückholaktion versuchen die Behörden den Schaden zu beheben.

Chroniknet