Nicht nur Lehrer unterrichten

Bildung 2006:

Auch wenn die Schülerzahlen in den nächsten Jahren sinken werden, malen die Lehrerorganisationen das Gespenst eines Pädagogenmangels an die Wand und sprechen schon heute von einer Versorgungskrise: 14 000 bis 16 000 Lehrer fehlen nach Schätzungen des Deutschen Philologenverbandes zu Beginn des Schuljahres 2006/07 an deutschen Schulen. Als Indiz wird der Unterrichtsausfall angeführt, der sich in Deutschland jede Woche auf eine Million Stunden summiere.

Dem Stundenausfall haben schon viele Bundesländer den Kampf angesagt, z. B. durch eine Verschärfung der Vertretungsregelungen. Eine Maßnahme: Auch sog. Randstunden zu Beginn oder am Ende eines Schultags dürfen nicht mehr ausfallen. Hessen geht hier ganz neue Wege: »Unterrichtsgarantie Plus« heißt das Programm, das die Schulen verpflichtet, bei drohendem Stundenausfall externe Mitarbeiter in die Klasse zu rufen – pensionierte Lehrer, Studenten oder Eltern mit speziellen Kenntnissen, die für eine Unterrichtsstunde je nach Qualifikation zwischen 15 und 26 € bekommen. Spätestens vom dritten Vertretungstag an sollen die Kinder nicht nur beaufsichtigt werden, sondern Fachunterricht erhalten.

Zwar zieht die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) nach sechs Wochen eine überaus positive Zwischenbilanz – der Stundenausfall habe sich auf fast null reduziert -, doch viele

Eltern und Lehrer sind prinzipiell unzufrieden. Sie sprechen von einer Aufweichung der Qualitätsstandards und fordern Neueinstellungen von ausgebildeten Lehrern – so könne eine reguläre Reserve aufgebaut werden.

Eine klassische Lehrerausbildung ist durchaus nicht mehr selbstverständlich, seitdem mehrere Bundesländer den Unterricht vor allem an berufsbildenden Schulen für Quereinsteiger geöffnet haben. Die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Sommer (CDU), startet im Sommer eine Initiative, die sich speziell an Landesbedienstete wendet: Ingenieure, Betriebswirte, Naturwissenschaftler, Sozialpädagogen und Ärzte, deren Arbeitsplätze in Zukunft wegfallen werden, können sich auf mindestens 250 Stellen für Quereinsteiger bewerben, die das Bundesland zum Schuljahr 2007/08 bereitstellt.

Baden-Württemberg will dem Lehrermangel an den Hauptschulen durch bessere Bezahlung begegnen. Seit Inkrafttreten der Föderalismusreform zum 1. September ist die Beamtenbesoldung Sache der Länder, und in der Stuttgarter Landesregierung gibt es Überlegungen, zumindest »leistungsstarken« Pädagogen an Hauptschulen mehr Geld zu zahlen.

Chroniknet