29. Dezember 1989: »Samtene Revolution« in Prag

29. Dezember 1989: »Samtene Revolution« in Prag
Václav Havel im November 1989, Prag - MD [CC BY-SA 3.0], from Wikimedia Commons

+++ VOR 35 JAHREN +++

Der friedliche und beharrliche Protest der Massen treibt die reformunwillige kommunistische Führung der Tschechoslowakei aus dem Amt.

Der noch Anfang des Jahres inhaftierte Bürgerrechtler Václav Havel wird zum Staatspräsidenten der Tschechoslowakei gewählt. Alexander Dubček, Symbolfigur des »Prager Frühlings« (20.8.1968) übernahm am Vortag das Amt des Parlamentspräsidenten. Zuvor war unter dem Druck anhaltender Massendemonstrationen die gesamte Führung der Kommunistischen Partei zurückgetreten.

Havel, der das Schlagwort von der »samtenen Revolution« prägte, ist das erste nichtkommunistische Staatsoberhaupt seit 1948. Wie in keinem anderen Land Osteuropas besetzen Oppositionelle ungeahnt rasch die Schlüsselpositionen. Als Konsequenz aus ihrem rapiden Machtverfall beschließt die KP am 21./22. Dezember die Umwandlung in eine demokratische Linkspartei.

Noch zu Jahresbeginn hatte KP-Chef Milos Jakes die vom sowjetischen Parteichef Michail S. Gorbatschow proklamierte Öffnungspolitik für sein Land abgelehnt. Dagegen formierte sich eine breite Protestbewegung, deren Sprachrohr am 19. November das »Bürgerforum« wurde, ein Zusammenschluss verschiedener regimekritischer Gruppen. Zum Sprecher des Bürgerforums wurde Václav Havel bestimmt. Zwei Tage zuvor hatten Sicherheitskräfte eine Kundgebung von 50 000 Menschen auf dem Wenzels Platz brutal niedergeknüppelt. Seitdem beteiligten sich auch bislang politisch nicht aktive Bürger an den Versammlungen.

Zur Person: Der Dichterpräsident
Der bekannte Dramatiker Váda Havel (* 5.10.1936 in Prag) verbrachte vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten fünf der vergangenen 20 Jahre als Regimegegner in Gefängnissen. Der vielfach mit Berufs- und Publikationsverbot belegte Bürgerrechtler engagierte sich in der Reformbewegung des »Prager Frühlings« und gehörte 1977 zu den Mitbegründern der Menschenrechtsbewegung »Charta 77«. Als Sprecher verhalf er im November 1989 dem »Bürgerforum« durch seine moralische Integrität zum politischen Erfolg.

Der Durchbruch als Dramatiker gelang Havel mit seinem Drama »Das Gartenfest« (1963), das sich mit den Gefahren totaler Machtansprüche für Staat und Individuum auseinandersetzt. Außerdem erwies sich Havel als ein auf Ausgleich bedachter Essayist.

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