7. Oktober 1970: Sadat tritt aus Nassers Schatten

7. Oktober 1970: Sadat tritt aus Nassers Schatten
Sprecher der Nationalversammlung Anwar Sadat (links) und Präsident Gamal Abdel Nasser (rechts) in der Nationalversammlung - 11.5.1964. - Not credited [Public domain]

+++ EREIGNISSE VOR 53 JAHREN +++

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Zeitungen zum 07.10.1970
Der Tod Gamal Abd el Nassers bebedeutet für Ägypten und die gesamte arabische Welt den Verlust ihrer wichtigsten Integrationsfigur.

Muhammad Anwar As Sadat wird von der ägyptischen Nationalversammlung einstimmig zum Nachfolger des verstorbenen Präsidenten Gamal Abdel Nasser nominiert.

In einer Volksabstimmung, mit der diese Entscheidung laut Verfassung bestätigt werden muss, erhält Sadat am 15. Oktober 90.4% der Stimmen. Am 17. Oktober legt er den Eid als neuer Präsident für eine sechsjährige Amtsperiode ab. Als Vizepräsident hatte Sadat unmittelbar nach dem Tod Nassers bereits die Funktion des Präsidenten übergangsweise übernommen. In einer programmatischen Rede erklärt Sadat am 8. Oktober, dass er die Politik Nassers fortsetzen wolle.

Der 1918 geborene Sadat ist ein langjähriger Weggefährte und Vertrauter des verstorbenen Präsidenten. Wie Nasser gehörte er zu den Mitbegründern der Geheimorganisation der Freien Offiziere, die 1952 den ägyptischen König Faruk stürzte. Mit seiner Zeitung »al Gumhuria« wurde Sadat später zur »Stimme Nassers«. 1954 übernahm er das Informationsministerium und leitete als Generalsekretär die ägyptische Staatspartei (1957-61). Von 1964 bis 1969 war er Präsident der ägyptischen Nationalversammlung. Ende Dezember 1969 ernannte ihn Nasser schließlich zu seinem Stellvertreter.

Der plötzliche Tod Nassers wurde mit Bestürzung aufgenommen. Die Beisetzungsfeierlichkeiten wurden zur größten Massendemonstration in der ägyptischen Geschichte. Die Zahl der Menschen, die den Weg des Trauerzugs säumten, wurde auf rd. 4 Mio. geschätzt. Alle Versuche, den offiziellen Charakter der Beisetzungsfeierlichkeiten zu erhalten, schlugen angesichts der Massentrauer der ägyptischen Bevölkerung fehl. In der Umgebung des Sarges spielten sich erschütternde Szenen ab. In dem Gedränge kamen 46 Menschen ums Leben, die künftig als »Märtyrer« verehrt werden.

Zahlreiche ausländische Vertreter nahmen an dem Begräbnis teil. Unter den anwesenden 19 Staats- und neun Regierungschefs befanden sich u.a. der französische Ministerpräsident Jacques Chaban Delmas und der sowjetische Ministerpräsident Alexei N. Kossigyn. Auch in Damaskus (Syrien), Beirut (Libanon), Amman (Jordanien) und Bagdad (Irak) fanden an diesem Tag große Trauerdemonstrationen statt.

Nach dem Angriff auf Israel im sog. Jom Kippur-Krieg (6.10.1973) setzt sich der neue Präsident Sadat für eine Aussöhnung mit dem jüdischen Staat ein (17.9.1978). Zudem löst er die von Nasser geknüpfte Bindung an das sozialistische Lager und sucht Kontakt zu den USA.

RÜCKBLICK: Arabischer Führer Mit dem Tod von Gamal Abdel Nasser am 28. September verlor die arabische Welt ihren wichtigsten Sprecher und unangefochtenen Führer. Nasser verkörperte für viele Araber die erhoffte arabische Revolution. Als einzigem wurde ihm zugetraut, die arabischen Nationen zu einigen.

Seit 1954 Staatspräsident, vertrat Nasser einen »arabischen Sozialismus« und verfolgte zunächst einen außenpolitisch neutralen Kurs. Trotz der Niederlage im Sueskrieg ( 29.10.1956) setzte sich Nasser politisch durch und erreichte die Wiedereröffnung des Kanals. Seit 1962 kam es zu einer verstärkten Anlehnung Ägyptens an die UdSSR.

Chroniknet