Was geschah im August 1900

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Wetterstationen August 1900

1.8.1900, Mittwoch

Der nach der Ermordung seines Vaters Umberto I. aus dem Orient nach Rom zurückgekehrte neue italienische König Viktor Emanuel III. bestätigt die Minister des Kabinetts Giuseppe Saracco, die nach dem Attentat vom 29. Juli ihre Ämter zur Verfügung gestellt hatten.

Der deutsche Bundesrat, die Vertretung der Bundesstaaten, fasst Beschlüsse über das Frauenstudium.

2.8.1900, Donnerstag

In Paris wird auf den Schah von Persien Muzaffar Ad Din, ein erfolgloses Attentat verübt.

Nach dem Tod von Herzog Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha tritt der vereinigte Landtag der beiden Herzogtümer Coburg und Gotha zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, in der eine Urkunde verlesen wird, nach der Erbprinz Ernst von Hohenlohe-Langenburg die Regierungsverweserschaft während der Minderjährigkeit des 16-Jährigen neuen Herzogs Karl Eduard übernimmt. Der Erbprinz leistet den Eid auf die Verfassung.

Der britische Schatzkanzler Arthur James Balfour erklärt im Unterhaus in London die britische Regierung habe Belgien mitgeteilt, der Freispruch des Attentäters Sipido sei ein schwerer Missgriff der Justiz. Die belgische Regierung habe auf diese Feststellung nicht geantwortet. Sipido, der am 4. April ein Revolverattentat auf den Prinzen von Wales verübt hatte, ist wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen worden.

3.8.1900, Freitag

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. bezeichnet in Bremerhaven Streikende als “durch die vaterlandslosen Agitatoren verführt”.

Das internationale Heer der Kolonialmächte zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China, das am 14. Juli die nordostchinesische Stadt Tientsin erobert hat, bricht von Tientsin nach Peking auf.

Mehrere tausend Flüchtlinge aus der Mandschurei treffen in Chabarowsk ein.

Der neue italienische König Viktor Emanuel III. erlässt in Rom eine Proklamation an die Nation. Er gelobt, nach dem “unvergesslichen Beispiel” seines Großvaters und seines Vaters regieren zu wollen.

4.8.1900, Samstag

Die britische Wochenschrift “Scribners Magazine” richtet scharfe Angriffe gegen britische Offiziere, die sich in der Gefangenschaft der Buren angeblich unwürdig und nicht gentlemanlike betragen haben.

Der serbische König Alexander I. heiratet in Belgrad die Ingenieurswitwe Draga Maschin, eine ehemalige Hofdame seiner Mutter.

Mit Verstimmung wird in London der Verzicht des Schahs von Persien, Muzaffar Ad Din, nach Großbritannien zu reisen, registriert. Der in Paris weilende Schah gibt als Grund die Hoftrauer wegen des verstorbenen Herzogs Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha an. Großbritannien unterstellt geheime Abmachungen zwischen Persien und Russland.

Das internationale Heer der Westmächte zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China erobert auf dem Weg von der nordostchinesischen Stadt Tientsin nach Peking die chinesischen Schanzen bei Peitsang.

6.8.1900, Montag

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. schlägt den in China beteiligten Kolonialmachten den preußischen Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee als Oberbefehlshaber über das internationale Aufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstands vor.

Der Fernsprechverkehr zwischen Berlin und Paris wird aufgenommen.

In Paris tagt während der Weltausstellung bis zum 11. August der Internationale Kongress für koloniale Soziologie.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hält anlässlich der Enthüllung des Denkmals des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg auf dem Sparrenberg bei Bielefeld eine stark national gefärbte Rede, in der er die Entwicklung Brandenburg-Preußens unter der Führung der Hohenzollern skizziert.

7.8.1900, Dienstag

Die seit Anfang August streikenden Glasarbeiter im belgischen Charleroi verlangen die Entlassung von Streikbrechern, die nicht ihrem Syndikat angehören.

8.8.1900, Mittwoch

Wladimir N. Graf Lamsdorf wird zum Verweser des russischen Außenministeriums ernannt nach dem Tod von Außenminister Michail N. Graf Murawjow am 21. Juni.

Das britische Parlament in London beendet seine Sitzungsperiode.

9.8.1900, Donnerstag

Im Großherzogtum Baden wird durch Gesetz das steuerfreie Existenzminimum von 500 auf 900 Mark jährlich angehoben.

Der am 29. Juli ermordete italienische König Umberto I. wird im Pantheon in Rom beigesetzt.

Das sächsische Kriegsministerium erlässt eine Bekanntmachung zur Unterdrückung revolutionärer und sozialdemokratischer Bestrebungen im Heer.

10.8.1900, Freitag

Durch eine Verordnung des deutschen Kaisers Wilhelm II. wird die Ausfuhr von Waffen und Kriegsmaterial nach China verboten.

11.8.1900, Samstag

Der neue italienische König Viktor Emanuel III. leistet vor beiden Häusern des Parlaments in Rom den Eid auf die Verfassung und verliest seine Thronrede.

12.8.1900, Sonntag

Das internationale Heer der Kolonialmächte zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China besiegt auf dem Weg von der nordostchinesischen Stadt Tientsin nach Peking die Chinesen bei Tschang-tschia-wan.

Bei Castel Gubileo in der Nähe von Rom kommt es zu einem schweren Zugunglück.

13.8.1900, Montag

Der französische Staatspräsident Emile Loubet verabschiedet in Marseille ein Expeditionskorps, das nach China aufbricht, mit einer patriotischen Rede.

14.8.1900, Dienstag

Im deutschen Schutzgebiet Samoa wird die Selbstverwaltung der Samoaner feierlich eingeführt. Häuptling Mataafa wird bei seiner Arbeit durch einen Rat, Faipule, unterstützt.

15.8.1900, Mittwoch

Das internationale Heer der Kolonialmächte zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China zieht nach dreitägigen Gefechten in Peking ein und befreit die seit acht Wochen belagerten Gesandten.

Der “Berliner Lokal-Anzeiger” veröffentlicht eine aufsehenerregende China-Rede von Kaiser Wilhelm II.

Wilhelm Schneider wird zum Bischof von Paderborn konsekriert als Nachfolger von Hubert Simar, der am 20. Februar als neuer Erzbischof von Köln inthronisiert worden ist.

16.8.1900, Donnerstag

In Teilen der deutschen Presse, vor allem in Organen des Zentrums und der Sozialdemokratie, wird die Einberufung des Reichstags gefordert, damit die Kosten der chinesischen Expedition parlamentarisch beraten werden können.

Die Kaisergräber im Speyerer Dom werden geöffnet.

In Hamburg startet eine deutsche Nordpolarexpedition.

17.8.1900, Freitag

Die deutsche Reichsregierung antwortet auf ein Gesuch Chinas um Friedensverhandlungen, dass von Verhandlungen irgendwelcher Art nicht die Rede sein könne, solange Angehörige europäischer Gesandtschaften in Peking gefährdet seien.

Die zweite Verfolgungsjagd britischer Truppen auf den Burenguerillaführer Christiaan Rudolph Dewet ist ebensowenig erfolgreich wie die erste. Dewet flüchtet, über den Vaal gedrängt, in die Magaliesberge.

18.8.1900, Samstag

Franz Joseph, Kaiser von Österreich und König von Ungarn, feiert seinen 70. Geburtstag.

Der von den zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China verbündeten Mächten als Oberbefehlshaber über das internationale Aufgebot angenommene preußische Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee verabschiedet sich von Kaiser Wilhelm II. in Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel und reist nach München (20. August) und Genua, wo er sich nach Schanghai einschifft.

Der französische Staatspräsident Emile Loubet verteilt die Preise, die den Ausstellern auf der Pariser Weltausstellung verliehen worden sind.

19.8.1900, Sonntag

Der französische Außenminister Théophile Delcassé hält in Foix eine vielbeachtete Rede, in der er davor warnt, bei den Friedensverhandlungen mit China zu weitgehende Forderungen zu stellen. Er betont ferner, dass zwischen Frankreich und dem Russischen Reich Übereinstimmung in der chinesischen Frage bestehe.

20.8.1900, Montag

Feldmarschall Frederick Sleigh Roberts, der Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in Südafrika kündigt in einer Proklamation an, dass alle Buren, die keinen Neutralitätseid schwören, als Kriegsgefangene behandelt werden. Die Farmen von Buren, die Guerillas Unterschlupf gewähren, sollen dem Erdboden gleichgemacht werden.

Aus Peking wird gemeldet, dass es in den Straßen weiter zu heftigen Kämpfen kommt.

In der deutschen Presse wird die Frage diskutiert, ob die christlichen Missionen für die Unruhen in China mitverantwortlich sind. Die kirchliche Presse widerspricht lebhaft.

21.8.1900, Dienstag

Papst Leo XIII. fordert in einem Schreiben über die Ausbreitung des Protestantismus die Katholiken auf, eifriger für die “unersetzlichen Güter einzutreten, welche die Kirche über Rom, Italien und die ganze Welt verteilt hat, und mit aller Macht Einigkeit und Hartnäckigkeit dem Verderben Widerstand zu leisten”.

In Stettin (Szczecin) in Pommern findet die Generalversammlung des Zentralverbandes deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender statt, an der 200 Delegierte aus allen Teilen des Deutschen Reichs teilnehmen.

Eine Verordnung des deutschen Kaisers Wilhelm II. regelt das Zeigen der Reichsflagge durch deutsche Kauffahrteischiffe. Die Flagge ist zu zeigen bei der Begegnung mit einem Schiff der deutschen Kriegsmarine, das die Reichskriegsflagge gesetzt hat; beim Passieren einer deutschen Küstenbefestigung, auf der die Kriegsflagge weht; beim Einlaufen in einen deutschen Hafen. Ausländische Kauffahrteischiffe müssen einem deutschen Kriegsschiff ihre Flagge nur bei der Begegnung in deutschen Küstengewässern zeigen.

Fürst Ferdinand von Bulgarien stattet dem deutschen Kaiser Wilhelm II. in Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel einen Besuch ab.

22.8.1900, Mittwoch

Der Prince of Wales, Albert Eduard, stattet der deutschen Kaiserfamilie auf Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel einen Besuch ab.

Der preußische Finanzminister Johann von Miquel ordnet in einem Erlass die beschleunigte Bearbeitung von Steuerreklamationen an.

Der italienische König Viktor Emanuel III. empfängt in Rom den preußischen Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, den Oberbefehlshaber über das internationale Aufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstands in China, in längerer Audienz. Nach mehrstündigem Aufenthalt tritt Waldersee die Weiterreise nach Neapel an.

23.8.1900, Donnerstag

Im Auswärtigen Amt in Berlin treffen die ersten direkten Nachrichten von der deutschen Gesandtschaft in Peking ein. Sie enthalten u.a. die Mitteilung, dass während der Kämpfe in der chinesischen Hauptstadt elf deutsche Soldaten getötet und 16 verwundet worden sind.

Die finnische Presse meldet, dass unter dem Regime des russischen Generalgouverneurs Nikolai I. Bobrikow die Zahl der nach Kanada ausgewanderten finnischen Wehrpflichtigen 1900 sprunghaft gestiegen ist. – Im russischen Großfürstentum Finnland ist die Presse der zaristischen Zensur unterworfen. 1900 werden sieben Zeitungen ganz verboten, 14 erhalten ein Publikationsverbot für 33 Monate, vier werden zur Entlassung des Chefredakteurs gezwungen.

24.8.1900, Freitag

Der im Exil lebende russische Revolutionär Wladimir I. Lenin trifft in der Nähe von Genf mit führenden Vertretern der russischen Sozialdemokratie zusammen. Beraten wird über die Herausgabe eines Parteiorgans.

In Teilen der deutschen Presse wird die Ernennung des preußischen Generalfeldmarschalls Alfred Graf von Waldersee zum Oberbefehlshaber über das internationale Aufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstands in China kritisiert, weil das Deutsche Reich dadurch unnötig engagiert werde. Dem Pomp, mit dem der Graf während seiner Reise von Kassel nach Genua gefeiert wird, halten viele Zeitungen die “anspruchslose Größe” des preußischen Generalfeldmarschalls Helmuth Graf von Moltke entgegen.

Auf einem von Beirut in Konstantinopel (Istanbul) einlaufenden Dampfer werden zwei Fälle von Pest festgestellt.

25.8.1900, Samstag

In Neapel trifft der Dampfer “Stuttgart” mit dem ersten Transport verwundeter deutscher Soldaten aus China ein.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. nimmt an der Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Erfurt teil. In seiner Rede weist er auf sein Bestreben hin, Europa den Frieden zu erhalten.

Russland unterbreitet den europäischen Großmächten einen Vorschlag zur Räumung Pekings.

26.8.1900, Sonntag

Frederick Sleigh Roberts, der britische Oberbefehlshaber in Südafrika, eröffnet eine Großoffensive gegen die Buren.

Der Burenguerillaführer Olivier, der seit März 1900 den Widerstand der Oranjefreistaatler gegen Großbritannien organisiert hat, gerät bei Winburg in britische Gefangenschaft.

27.8.1900, Montag

Paulus “Ohm” Krüger, der Präsident der Südafrikanischen Republik, und Martinus Theunis Steijn, der Premierminister des am 28. Mai von Großbritannien annektierten Oranjefreistaats, fliehen nach Nelspruit.

Der britische Generalleutnant Redvers Henry Buller schlägt während des Burenkriegs in Südafrika die Buren bei Dalmanutha.

In Glasgow kommt es zu drei Fällen von Beulenpest.

Der russische Zar Nikolaus II. weist eine Beschwerdepetition des finnländischen Landtags über die Amtsführung Nikolai I. Bobrikows, des russischen Generalgouverneurs im Großfürstentum Finnland, als verfassungswidrig zurück. Der Zar lobt das korrekte Verhalten des Generalgouverneurs und beauftragt den finnländischen Senat, eine Revision der Landtagsordnung im Sinne einer Einschränkung der ständischen Befugnisse vorzunehmen.

In Paris beginnt der fünftägige Internationale Kongress für Handels- und Wirtschaftsgeographie. Diskutiert werden die Umgestaltungen, die der Handel im 19. Jahrhundert aufgrund der verbesserten Verkehrswege und Verkehrsmittel genommen hat, und die Folgen dieser Veränderung für die Produktion, die Preisbildung usw.

28.8.1900, Dienstag

Aus Russland wird gemeldet, dass Kaspisches und Schwarzes Meer durch einen Kanal verbunden werden sollen. Das industrielle Zentrum Russlands verlagert sich allmählich nach Süden, wo die Produktion von Eisen sowie die Förderung von Kohle und Erdöl (Naphtha) stark erweitert worden ist.

Auf Verlangen der Grosmächte, insbesondere des Deutschen Reichs und Großbritanniens, löst Belgien sein Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China auf, noch ehe es aufgebrochen ist.

29.8.1900, Mittwoch

Vor dem Schwurgericht in Mailand beginnt der Prozess gegen den Anarchisten Gaetano Bresci, der am 29. Juli König Umberto I. von Italien ermordet hat. Bresci wird am folgenden Tag zu lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt. Das Gericht stellt fest, dass ein anarchistisches Komplott zur Ermordung des Königs bestanden habe.

Das US-Außenministerium veröffentlicht in Washington eine Mitteilung über die russische und die US-amerikanische Politik in China, zwischen der weitgehend Übereinstimmung herrsche.

Die Hafenarbeiter in Marseille streiken.

30.8.1900, Donnerstag

Der schwedische Forschungsreisende Karl Kolthoff, der am 31. Juli bei Kap Broes Ruys die Ostküste Grönlands erreicht hat, fängt im Moschusochsenfjord Kälber von Moschusochsen, mit denen er in Lappland Zuchtversuche anstellen will.

Im Berliner Zeughaus findet in Gegenwart des deutschen Kaiserpaars die feierliche Nagelung und Weihe der für die ostasiatischen Truppen bestimmten Fahnen statt.

31.8.1900, Freitag

Das deutsche Telegrafenkabel zwischen Emden und Valentia in Irland, das nur mit Erlaubnis der britischen Behörden erweitert werden kann, wird außer Betrieb gesetzt.

In Nordnorwegen wird Boje 4 der schwedischen Polarexpedition des Ingenieurs und Forschers Salomon August Andrée gefunden.

Wer sich vor Moskitos schützt, ist auch vor Malaria sicher. Dies haben Versuche mit Eisenbahnbeamten in den gefürchteten Fiebergegenden der römischen Campagna ergeben. Die Beamten trugen Handschuhe und Gesichtsschleier, Fenster und Türen wurden mit Metallnetzen verschlossen.

Aus London wird gemeldet, dass die Einwohnerzahl in den Boroughs (Bezirken) der Innenstadt ständig sinkt. Die Wohnhäuser werden mehr und mehr durch nachts unbewohnte Geschäfts- und Bürohäuser verdrängt.

Chroniknet