Was geschah im Juni 1906

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Wetterstationen Juni 1906

1.6.1906, Freitag

In Weimar wird die dritte Ausstellung des Deutschen Künstlerbunds eröffnet. Der Verein war 1902 aus Protest gegen die offizielle Kunstpolitik gegründet worden und umfasst vorwiegend bis dahin in Sezessionen vereinigte Künstler: Leopold Graf von Kalckreuth (Präsident), Harry Graf Keßler (Vizepräsident), Max Liebermann, Lovis Corinth, Ludwig von Hofmann, Henry van de Velde, Max Slevogt u.a.

2.6.1906, Samstag

Der US-Amerikaner Leroy Samse stellt in Chicago mit 3,78 m einen (inoffiziellen) Weltrekord im Stabhochsprung auf.

In Anwesenheit von Senat und Bürgerschaft wird in Hamburg das von Hugo Lederer geschaffene Denkmal des früheren Reichskanzlers Otto von Bismarck enthüllt.

Mit einer Jachtfahrt der deutschen Kaiserfamilie wird der Teltowkanal bei Berlin eröffnet. Er verbindet Havel und Spree.

Die im südlichen Teil des mandschurischen Tieflands gelegene chinesische Stadt Mukden (Schenjang), die während des Boxeraufstands 1900 von den Russen besetzt wurde, wird feierlich dem internationalen Handel geöffnet.

Max Wladimir Freiherr von Beck wird österreichischer Ministerpräsident. Konrad Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst war wegen Differenzen mit Kaiser Franz Joseph I. in der Frage der Handelsbeziehungen mit Ungarn am 28. Mai zurückgetreten. Unter Beck gelingt der Durchbruch bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts.

3.6.1906, Sonntag

König Leopold II. von Belgien unterzeichnet 24 Dekrete zur Verbesserung der Verwaltung in seiner Privatkolonie Kongostaat. Von britischer Seite waren massive Vorwürfe über die Behandlung der Eingeborenen erhoben worden (“Kongogreuel”).

In Torrejón de Ardóz in der spanischen Provinz Madrid wird der Anarchist Matteo Morrál als der Mann erkannt, der am 31. Mai das Bombenattentat in Madrid verübt hatte. Er erschießt den Beamten, der ihn verhaften will, und tötet sich dann selbst.

Das 100-km-Gehen Lübben- Berlin gewinnt der Berliner Richard Wilhelm in 11:15:21,2 h vor Kurt Nippe, der nur knapp einen Meter zurückliegt. Wilhelm stellt damit einen deutschen Rekord auf.

4.6.1906, Montag

Die Stadt San Francisco wird von einem neuen, zehn Sekunden dauernden Erdbeben heimgesucht. Es verursacht jedoch kaum Zerstörungen.

In München wird der Allgemeine Deutsche Lehrertag eröffnet. Die Mehrheit der Lehrer spricht sich gegen zu großen Einfluss von Lehrerinnen auf Mädchenschulen aus.

5.6.1906, Dienstag

Das ungarische Abgeordnetenhaus in Budapest bewilligt die Gesetzesvorlagen über den provisorischen Haushalt und das Rekrutenkontingent. Damit beenden die neugewählten Abgeordneten den seit 1905 andauernden Ex-lex-Zustand, während dem die Regierung aufgrund der parlamentarischen Mehrheit der Opposition keine Steuern erheben konnte.

Der Verbandstag des Deutschen Katholischen Lehrerverbands in Berlin spricht sich gegen die Simultanschule aus, an der Kinder verschiedener Religionen unterrichtet werden.

6.6.1906, Mittwoch

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. reist zu einem zweitägigen Besuch des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. nach Wien.

Der neue ungarische Ministerpräsident Sándor Wekerle betont vor dem Abgeordnetenhaus in Budapest, seine Regierung werde nationalen Minderheiten gegenüber denselben liberalen Standpunkt wie alle großen Staatsmänner Ungarns einnehmen. Es sei “unbillig zu behaupten, dass jetzt eine Ära eingetreten sei, in der der ungarischen Rasse besondere Begünstigungen zuteil und die Nationalitäten unterdrückt würden”.

7.6.1906, Donnerstag

Am Abschlusstag des am 5. Juni in Jena eröffneten 17. Evangelisch-sozialen Kongresses hält Gertrud Bäumer ein vielbeachtetes Referat über “Die sozialen Forderungen der Frauenbewegung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage der Frau”. Darin fordert die Lebensgefährtin von Helene Lange u.a. die rechtliche Anerkennung der hauswirtschaftlichen Arbeit der Frau.

In Nürnberg tagt die 15. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. Zentrales Thema ist die Organisation der Wohlfahrtspflege. Regierungsbeamte warnen davor, in der Arbeiterwohlfahrt eine Instanz mit der Aufgabe zu sehen, “alles menschliche Elend aus der Welt zu schaffen”.

Nach mehreren Einstürzen im Inneren des Vesuv geht erneut ein Aschenregen auf die umliegenden Ortschaften nieder.

In Clydebank läuft der britische Passagierdampfer “Lusitania” vom Stapel, das größte Schiff der Welt.

8.6.1906, Freitag

Die Deutsche Kolonialgesellschaft hält in Königsberg in Preußen ihre Jahresversammlung ab. Ziel der Organisation, die von Industriellen und Bankiers gestützt wird, ist die “Förderung des kolonialen Gedankens im deutschen Volk”. Zum Schutz der deutschen Kolonien fordert die Versammlung den Ausbau der Kriegsflotte.

9.6.1906, Samstag

In Warschau in Russisch-Polen werden gleichzeitig 23 staatliche Branntweinverkaufsstellen überfallen und ausgeraubt. Es kommt zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Räubern und Soldaten. Mehrere Personen werden getötet. Staatliche Stellen bezeichnen die Räuber als “Anarchisten”.

10.6.1906, Sonntag

Demonstranten, die in Wien an einer antiungarischen Versammlung unter Oberbürgermeister Karl Lueger teilgenommen haben, ziehen vor das ungarische Ministerpalais und versuchen, die Fenster einzuwerfen. Eine Sitzung der ungarischen Delegation wird unterbrochen, bis die Polizei die Demonstration aufgelöst hat. Die Donaumonarchie wird von starken nationalen Spannungen belastet.

Das österreichische Abgeordnetenhaus in Wien verabschiedet das Militärtaxgesetz. Danach müssen die vom Wehrdienst Befreiten eine Ausgleichszahlung leisten.

In Wien betont Kaiser Franz Joseph I. in einer Ansprache vor dem gemeinsamen Parlamentsausschuss der k. u. k. Doppelmonarchie, der Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. habe das innige Freundschaftsverhältnis Österreich-Ungarns zum Deutschen Reich bewiesen. Die Beziehungen zum Dreibundpartner Italien seien ebenso vertrauensvoll.

Der seit 1893 amtierende neuseeländische Premierminister Richard John Seddon, der Initiator der Sozialgesetzgebung in Neuseeland, stirbt im Alter von 60 Jahren während einer Schiffsreise zwischen Australien und seiner Heimat. Nachfolger wird Joseph Ward.

11.6.1906, Montag

Der französische Ministerpräsident Ferdinand Sarrien bezeichnet den Erfolg seiner republikanischen Partei bei den Parlamentswahlen im Mai als schlagenden Beweis dafür, dass Frankreich gewillt sei, die republikanischen Einrichtungen aufrechtzuerhalten, zu stärken und zu entwickeln, und dass es eine Politik des Fortschritts und der Reformen zu verfolgen gedenke.

Die Adelskorporationen der russischen Gouvernements schließen sich zum Vereinigten Adel zusammen und bilden einen ständigen Rat, der mit den äußerst rechts stehenden Parteien in der Duma, dem Parlament in Petersburg (Leningrad), zusammenarbeiten soll.

12.6.1906, Dienstag

Rudolf Stöss gewinnt die Herkomer-Fahrt, das größte deutsche Etappenrennen für Automobile.

Die Reichstagsersatzwahl in Tarnowitz-Beuthen in Oberschlesien gewinnt der Pole Napieralski mit 28 264 Stimmen vor dem Zentrumskandidaten, der nur 8861 Stimmen erhält. Die Presse des Zentrums sieht in der Ostmarkenpolitik der Regierung die Ursache für die “Zunahme des oberschlesischen Polentums”.

Der neue italienische Ministerpräsident Giovanni Giolitti (liberal) bezeichnet in seiner Antrittsrede vor dem Abgeordnetenhaus in Rom die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse als Kernpunkt kommender Reformen. Die Abgeordneten sprechen ihm mit 262 zu 98 Stimmen das Vertrauen aus.

13.6.1906, Mittwoch

Die britischen Truppen in Ägypten werden verstärkt wegen der zunehmenden Radikalisierung von Einheimischen, die die Unabhängigkeit ihres Landes fordern.

14.6.1906, Donnerstag

Der Radsportler Thaddäus Robl, der zu den Spitzenverdienern des deutschen Sports zählt, gewinnt den Münchner Sommerpreis.

Kronprinz Wilhelm eröffnet in Schöneberg die Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaft.

Der preußische Generaloberst Alfred Graf von Schlieffen vollzieht in Bremen die Taufe des Großen Kreuzers C, der den Namen “Gneisenau” erhält.

Die württembergische Abgeordnetenkammer in Stuttgart verabschiedet mit 64 zu 26 Stimmen (des Zentrums) eine Wahlrechtsreform. Sie sieht u.a. das Wahlrecht für alle Männer ab dem 25. statt wie bisher ab dem 30. Lebensjahr vor.

Der österreichisch-ungarische Außenminister Agenor Maria Adam Graf Goluchowski betont vor der österreichischen Delegation in Wien, es sei keine Rede davon, dass Österreich-Ungarn auf dem Balkan irgendwelche Expansionsgelüste befriedigen wolle. Es müsse jedoch dazu beitragen, in Mazedonien Ruhe und Ordnung zu schaffen.

Der griechische Außenminister Skufes gibt vor dem Abgeordnetenhaus in Athen den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Rumänien bekannt. Auslöser waren wiederholte Kämpfe zwischen Griechen und nationalen Minderheiten in Rumänien.

In der russischen Stadt Bialystok bricht ein Judenpogrom aus.

15.6.1906, Freitag

Die Verwaltung der New Yorker Telefonzentrale verbietet Telefonistinnen das Tragen von “unfeinen Strümpfen” und “Draufguck-Blusen”. Diese Blusen haben kurze Ärmel und einen weiten Ausschnitt und bestehen aus einem Stoff, der kaum stärker als ein Schleier ist. Sie erfreuen sich nicht nur bei den Telefonistinnen großer Beliebtheit.

Der bayerische Innenminister Max Graf von Feilitzsch rügt vor dem Abgeordnetenhaus in München die Justiz, die durch ihre Urteile die Bemühungen der Polizei bei der Bekämpfung der “Schmutzliteratur” häufig zunichte mache.

16.6.1906, Samstag

Wegen der anhaltenden blutigen Unruhen, bei denen seit 14. Juni mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen sind, wird über die russische Stadt Bialystok das Kriegsrecht verhängt.

17.6.1906, Sonntag

Die Schuldeputation der bremischen Bürgerschaft spricht sich in einem Bericht an den Senat gegen die von den bremischen Volksschullehrern angeregte Abschaffung des Religionsunterrichts in den Schulen aus, da dies eine schwere Schädigung der Kinder sowohl für die geistige Bildung als auch in erzieherischer Hinsicht zur Folge haben würde.

In der schwedischen Stadt Hudiksvall am Bottnischen Meerbusen brennt die Vorstadt Avik nieder. 1600 Menschen werden obdachlos.

In Petersburg (Leningrad) und Moskau finden rund 50 Protestversammlungen gegen die Innenpolitik der Regierung unter Ministerpräsident Iwan L. Goremykin statt. Auf allen Versammlungen wird beschlossen, die Duma (Parlament) im Kampf gegen die Regierung zu unterstützen.

Die russische Regierung unter Iwan L. Goremykin landet 800 Soldaten auf den Ålandinseln, die zum russischen Großfürstentum Finnland gehören. Im Pariser Friedensvertrag, der 1856 den Krimkrieg beendete, hatte sich Russland auf schwedischen Druck hin verpflichtet, die Inseln nicht zu besetzen.

18.6.1906, Montag

Frankreichs Innenminister Georges Clemenceau hält vor der Abgeordnetenkammer in Paris eine vielbeachtete Rede über soziale Fragen.

In der russischen Hafenstadt Kronstadt halten Matrosen Protestversammlungen gegen die Politik der Regierung unter Ministerpräsident Iwan L. Goremykin ab.

Die Zeitung “Göttinger deutscher Bote” erscheint ab heute in einem größeren Format. Anlass waren “Klagen einsichtiger Leser”, dass man sich kein Butterbrot in den Bogen einwickeln könne.

19.6.1906, Dienstag

Der österreichisch-ungarische Reichskriegsminister Heinrich Ritter von Pitreich verteidigt vor der ungarischen Delegation in Wien die deutsche Sprache als Regimentssprache, da in vielen in Ungarn stationierten Regimentern nur ein Teil der Mannschaften die ungarische Sprache genügend beherrsche. Die nationalistischen Magyaren fordern die Einführung des Ungarischen bei den in Ungarn stationierten Truppenteilen. Kaiser Franz Joseph I. lehnt dies ab.

Kaiser Wilhelm II. hält vor Seglern in Cuxhaven eine Rede über deutsche Männlichkeit.

Im russischen Gouvernement Poltawa brechen Bauernunruhen aus. Die Landwirte beschließen auf zahlreichen Versammlungen, keine Rekruten mehr zu stellen, falls die Agrarfrage nicht bis zum Herbst in ihrem Sinne gelöst sei.

20.6.1906, Mittwoch

Die britische Regierung unter Henry Campbell-Bannerman (liberal) ruft den britischen Botschafter in Petersburg (Leningrad) zur Berichterstattung über das Judenmassaker in Bialystok nach London zurück.

21.6.1906, Donnerstag

Der US-Senat in Washington beschließt den Bau des Panamakanals als Schleusenkanal.

Fürst Urussow, ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Innenministeriums, beschuldigt vor der Duma, dem Parlament in Petersburg (Leningrad), die Regierung, durch Spitzel Pogrome zu organisieren.

Der österreichische Kaiser Franz Joseph I. tritt eine fünftägige Reise durch Böhmen an, um die Wogen des deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikts zu glätten. Auf der ersten Station, in Reichenberg, wird er von 200 deutschsprachigen Bürgermeistern begeistert gefeiert.

22.6.1906, Freitag

Auf Anordnung von Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow lässt die Staatsanwaltschaft die Redaktionsräume von “Freisinniger Zeitung” und “Germania” durchsuchen. Das Zentrumsorgan “Germania” hatte der Kolonialabteilung vorgeworfen, ein Disziplinarverfahren gegen den inzwischen aus Kamerun abberufenen Gouverneur Jesco von Puttkamer nicht eingeleitet zu haben, “weil Herr von Puttkamer selbst die Einleitung des Verfahrens als nicht angebracht bezeichnet” habe.

Das sozialdemokratische Parteiorgan “Vorwärts” veröffentlicht Berichte über Meutereien bei den Schutztruppen in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika.

Der US-Senat in Washington drückt in einem Beschluss seinen Abscheu über das Judenpogrom im russischen Bialystok aus.

Die Duma, das russische Parlament in Petersburg (Leningrad), spricht nach dem 26. Mai zum zweiten Mal der Regierung unter Ministerpräsident Iwan L. Goremykin das Misstrauen aus und fordert ein der Duma verantwortliches Ministerium.

Das norwegische Königspaar, Haakon VII. und Maud, wird im Nidarosdom in Trondheim gekrönt.

23.6.1906, Samstag

Beim Zusammenstoß eines elektrischen Straßenbahnwagens, dessen Bremsen versagt haben, mit einem dichtbesetzten Automobilomnibus in London werden zahlreiche Menschen getötet und 40 zum Teil lebensgefährlich verletzt.

24.6.1906, Sonntag

Der dänische Polarforscher Ludwig Mylius-Erichsen sticht von Kopenhagen aus zu seiner zweiten Grönlandexpedition in See.

In Berlin stellt Wilhelm Lüdtke (Berlin) mit 13,78 m einen deutschen Rekord im Dreisprung auf.

25.6.1906, Montag

Der österreichische Kaiser Franz Joseph I. richtet am Ende seiner fünftägigen Reise durch Böhmen einen Appell zu nationaler Verständigung an Tschechen und Deutsche. Die Donaumonarchie wird zur Zeit nicht nur in Böhmen von Konflikten erschüttert, auch zwischen Österreich und Ungarn bestehen Spannungen.

26.6.1906, Dienstag

Die “Moskauer Bank” in Moskau ist Schauplatz eines Überfalls, bei dem mehrere Mio. Rubel erbeutet werden.

Auf dem Dreieckskurs in Le Mans in Frankreich beginnt das erste Grand-Prix-Rennen.

Die österreichische Delegation in Wien beendet eine fünftägige Debatte über die Außenpolitik Österreich-Ungarns. Zahlreiche Delegierte fordern eine Auflösung des Dreibunds, durch den das Deutsche Reich Österreich-Ungarn zum Gehilfen seiner imperialistischen Pläne mache.

Beim sog. Zwischenfall von Denshawi kommt ein britischer Kolonialoffizier unter ungeklärten Umständen ums Leben. Vier Ägypter werden daraufhin zum Tod verurteilt.

27.6.1906, Mittwoch

In der deutschen Presse häufen sich Vorwürfe über finanzielle Unregelmäßigkeiten in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts. Dabei geht es u.a. um Quittungsfälschungen und Vergabe von Aufträgen an Firmen, in denen Söhne leitender Politiker des Kolonialamts beschäftigt sind.

28.6.1906, Donnerstag

Im Rahmen der Sittlichkeitskampagne im Deutschen Reich wird Kritik an der Berliner Meierei Bolle laut. Die halbwüchsigen Bolle-Mädchen trügen auf ihrer Kleidung die Inschrift “Meierei Bolle” genau an einer Stelle, wo sich künftig einmal ein weiblicher Busen entwickeln könnte.

29.6.1906, Freitag

Ein Gewitter mit nachfolgendem Wolkenbruch richtet in Berlin und seinen Vororten Überschwemmungen und schwere Verwüstungen an.

In London endet ein zehntägiger Besuch deutscher Journalisten, die von Vertretern Londoner Zeitungen eingeladen worden waren, um die Verhältnisse in der Presse der britischen Hauptstadt zu studieren. Der Besuch sollte auch der Verständigung zwischen Deutschen und Briten dienen und wird in den Zeitungen beider Länder ausgiebig gewürdigt.

30.6.1906, Samstag

Berichte der literarischen Gruppe der Muckrackers führen zur Verabschiedung des Pure Food and Drug Act durch das US-amerikanische Repräsentantenhaus in Washington. Auf Packungen muss der Inhalt verzeichnet sein. Herstellung und Verkauf verfälschter Lebensmittel werden verboten.

In einem Brief an den Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, bezeichnet Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow die Errichtung eines selbständigen Kolonialamts als eine der wichtigsten kolonialen Aufgaben. Die Abgeordneten des Reichstags hatten ein eigenes Kolonialministerium abgelehnt.

Die SPD veröffentlicht zum ersten Mal die genaue Zahl der Parteimitglieder. Sie beträgt 384 327. Unter den Zeitschriften haben der “Vorwärts” 112 000 Abonnenten, die “Gleichheit” 46 000 und die “Neue Zeit” 7200.

Die Moskauer Polizei entdeckt in einer Privatwohnung eine Bombenwerkstatt und ein Waffenlager von Revolutionären.

In der russischen Presse wird vielfach gegen die deutschen Kolonisten im Süden und an der Wolga polemisiert. Sie besäßen ca. 10 Mio. Desjantinen (rund 11 Mio. ha) guten Landes, sonderten sich aber in Religion und Sitte von den Russen ab.

Chroniknet