Was geschah im November 1918

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Wetterstationen November 1918

1.11.1918, Freitag

In Wilhelmshaven bricht eine Meuterei der Soldaten der deutschen Hochseeflotte aus. Vor wenigen Tagen war in Zusammenhang mit der Aufgabe des unbeschränkten U-Boot-Krieges der Befehl zu einer Großoffensive der deutschen Flotte ergangen, nach dem diese über zwei Jahre nicht in den Krieg involviert war.

Der Parteitag der Sozialdemokraten in Wien fordert die Errichtung einer parlamentarischen Demokratie.

Karl I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, entbindet die ungarische Regierung ihres Treueeids.

Während einer Massenversammlung vor dem Deutschmeisterdenkmal in Wien gründen der Journalist Egon Erwin Kisch und der Linksradikale Leo Rothziegel die Rote Garde. Auch der Dichter Franz Werfel bekennt sich in einer Rede zu den Rotgardisten.

Im Kriegshafen Pula gelingt italienischen Offizieren die Versenkung des k.u.k. Schlachtschiffes “Viribus Unitis”. Die ehemalige k.u.k. Flotte wird daraufhin nach Korfu verlegt und unter den Alliierten aufgeteilt.

2.11.1918, Samstag

Der österreichisch-ungarische Außenminister, Julius Graf Andrassy d. Jüngere, tritt zurück.

Der linke Flügel der unabhängigen Sozialdemokraten, die “Revolutionären Obleute”, beschließt die Vorbereitung eines Generalstreiks, der am 11. November beginnen soll.

3.11.1918, Sonntag

In der Villa Giusti bei Padua wird der Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und der Entente unterzeichnet.

Der polnische Nationalrat proklamiert in Warschau die unabhängige Republik Polen.

Die Kommunistische Partei Deutsch-Österreichs wird in Wien gegründet.

4.11.1918, Montag

Drei Tage nach Erscheinen ist das Buch des Publizisten Maximilian Harden “Das Recht soll siegen” mit 20 000 Exemplaren vergriffen.

Der Vorstand der SPD fordert die Arbeiter auf, keinesfalls den anonymen Streikaufrufen Folge zu leisten, die zur Zeit massenhaft in den Betrieben kursieren.

In Kiel übernimmt der Arbeiter- und Soldatenrat die Macht.

5.11.1918, Dienstag

Das Deutsche Reich bricht die diplomatischen Beziehungen zu Sowjetrussland ab. Alle russischen Diplomaten werden ausgewiesen. Anlass ist der Fund von antideutschem Propagandamaterial beim Berliner Kurier der sowjetrussischen Botschaft.

In seiner letzten Antwortnote an die Regierung des Deutschen Reiches stimmt US-Präsident Thomas Woodrow Wilson Gesprächen zwischen einer deutschen Waffenstillstandskommission und General Ferdinand Foch zu.

Hamburger Soldaten und Arbeiter rufen auf einer gemeinsamen Veranstaltung den Generalstreik aus.

6.11.1918, Mittwoch

Rumänische Truppen rücken in die Bukowina ein, die bislang von russischen Verbänden besetzt gehalten wurde.

Die Bremer Bürgerschaft beschließt, das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht einzuführen. Frauen dürfen nach wie vor allerdings nicht wählen.

7.11.1918, Donnerstag

Im musikdramatischen Theater von Petrograd (Leningrad) wird das Drama “Mysterium Buffo” von Wladimir W. Majakowski uraufgeführt.

Die Arbeiter- und Soldatenräte bilden in Kiel paritätisch je zur Hälfte mit Arbeitern und Unternehmern besetzte Demobilisierungsausschüsse, die eine wirtschaftliche Umgestaltung für die Zeit nach dem Friedensschluss vorbereiten sollen.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands stellt ein Ultimatum an Reichskanzler Prinz Max von Baden. Es wird mit Austritt der SPD-Fraktion aus der Regierung gedroht, falls nicht Kaiser Wilhelm II. bis zum 8. November abdankt, sein Nachfolger auf den Thron verzichtet und die preußische Regierung im Sinne der Reichstagsmehrheit umgestaltet wird.

In München wird die Wittelsbacher Monarchie gestürzt. Kurt Eisner ruft die bayerische Volksrepublik aus.

8.11.1918, Freitag

Pola Negri spielt in dem Film “Mania” ihre erste Rolle bei der Union Berlin.

In Berlin wird der Stummfilm “Jettchen Gebert” unter der Regie von Richard Oswald uraufgeführt.

Ernst August, Herzog von Braunschweig, erklärt seinen Thronverzicht.

König Ludwig III. von Bayern erklärt seinen Thronverzicht.

Die von dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger geführte deutsche Kommission nimmt in Compiègne Friedensverhandlungen mit dem Beauftragten der Entente, General Ferdinand Foch, auf.

Die Regierung der Schweiz bricht die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetrepublik ab.

Rumänien erklärt dem Deutschen Reich den Krieg.

9.11.1918, Samstag

Das 450. Tausend erscheint von Johanna Spyris Kinderbüchern “Heidis Lehr- und Wanderjahre” und “Heidi kann brauchen, was es gelernt hat”.

Der ehemalige “Berliner Lokalanzeiger” erscheint erstmals unter dem Titel “Die Rote Fahne” als Zentralorgan des Spartakusbundes.

Wilhelm II. erklärt seine Abdankung als deutscher Kaiser, nicht aber als König von Preußen.

In Berlin wird der Generalstreik ausgerufen, dem sich rasch auch Truppenteile anschließen.

Karl Liebknecht ruft in Berlin vor dem königlichen Schloss die Räterepublik aus.

In Berlin wird vom Reichstag aus die deutsche Republik durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann proklamiert.

10.11.1918, Sonntag

In Berlin bildet sich der Rat geistiger Arbeiter, der für die politischen Ideale der sozialistischen Republik eintreten will.

Unter Vorsitz von Emil Barth (Mitglied der Revolutionären Obleute) versammeln sich im Berliner Zirkus Busch die Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. Als Kontrollorgan der revolutionären Regierung konstituiert sich ein Vollzugsrat aus Arbeitern, Soldaten, SPD- und USPD-Mitgliedern.

Die USPD gibt in ihrer Antwortnote an den Vorstand der SPD ihre Bedingungen für einen Eintritt in die neuzubildende Regierung bekannt. Sie werden noch am gleichen Tag vom SPD-Vorstand anerkannt. Ein sechsköpfiger “Rat der Volksbeauftragten” aus je drei SPD- und USPD-Mitgliedern übernimmt daraufhin die Regierung.

Die deutsche Oberste Heeresleitung nimmt Stellung zu den Auswirkungen der Revolution auf das deutsche Heer. Die OHL will den Reichskanzler Friedrich Ebert unterstützen, um “die Ausbreitung des terroristischen Bolschewismus in Deutschland” zu verhindern.

Wilhelm II. verlässt das Deutsche Reich und geht ins Exil in die Niederlande.

11.11.1918, Montag

Zwischen den alliierten Mächten und dem Deutschen Reich wird der Waffenstillstandsvertrag im Wald von Compiègne von dem Franzosen Marschall Ferdinand Foch und dem Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger unterzeichnet.

Kaiser Karl I. von Österreich verzichtet offiziell auf die Regierungsgewalt. Gleichzeitig tritt die letzte kaiserliche Regierung unter Ministerpräsident Heinrich Lammasch zurück.

Der Staatsrat von Deutsch-Österreich erklärt die Republik Österreich zum Bestandteil der deutschen Republik.

In allen Betrieben Groß-Berlins wird der Generalstreik beendet.

Die Volksbeauftragten der deutschen Republik verkünden ihr Regierungsprogramm. Erstmals sollen sich Frauen auch an Wahlen zur Nationalversammlung beteiligen können.

In Berlin tritt erstmals die revolutionäre preußische Regierung unter der Kontrolle der Arbeiter- und Soldatenräte zusammen. Einer der ersten Beschlüsse ist die Beschlagnahmung des gesamten Vermögens des Königshauses.

In Wien wird die Errichtung der Republik “Deutsch-Österreich” durch Franz Dinghofer verkündet.

13.11.1918, Mittwoch

In Preußen tritt die Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge in Kraft, die erstmals das Recht auf Arbeit festschreibt.

In Magdeburg entwirft der Fabrikant Franz Seldte den Organisationsplan des reaktionären Frontkämpferbundes “Der Stahlhelm”.

König Ludwig III. von Bayern legt die Regierung nieder und entbindet alle Offiziere und Beamte von ihrem Treueeid.

Die Sowjetregierung annulliert den Vertrag von Brest-Litowsk und lässt die Rote Armee in von Deutschen besetzte Gebiete einmarschieren.

14.11.1918, Donnerstag

In Prag wird die Tschechoslowakische Republik ausgerufen. Erster Präsident wird Tomá Garrigue Masaryk.

Der Anfang November aus deutscher Festungshaft entlassene Jósef Klemens Pilsudski übernimmt in Warschau aus den Händen des Regentschaftsrates die politische Macht.

Die britische Regierung in London beschließt die Anerkennung der antibolschewistischen Regierung des weißgardistischen Generals Alexandr W. Koltschak und die Unterstützung des ebenfalls gegen die sowjetische Regierung kämpfenden Generals Anton I. Denikin.

Die Berliner Theater eröffnen wieder. Gegeben werden “Nathan der Weise” von Gotthold E. Lessing und die “Meistersinger von Nürnberg” von Richard Wagner.

15.11.1918, Freitag

In einer Verordnung über die Neuordnung des Geschichtsunterrichtes schreibt die preußische Regierung vor, dass in Zukunft “keine abfälligen Bemerkungen über Entstehung und Folgen der Revolution gemacht werden dürfen”.

Deutsche Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände beschließen die Gründung einer Zentralen Arbeitsgemeinschaft, in der sofort die Einführung des Achtstundentages beschlossen wird.

Als Parteiorgan der USPD erscheint in Berlin erstmals “Die Freiheit”. Leitender Redakteur ist Rudolf Hilferding.

Britisch-französische Truppenverbände laufen im Schwarzen Meer ein, um die weißrussischen Garden gegen die Bolschewiki zu unterstützen.

16.11.1918, Samstag

Der naturalistische deutsche Schriftsteller Gerhart Hauptmann veröffentlicht ein politisches “Manifest der Künstler und Dichter”, in dem er sich positiv zur demokratischen Revolution äußert.

Im Stadttheater Nürnberg wird das Drama “Der Brand im Opernhaus” von Georg Kaiser uraufgeführt.

Ein Aufruf zur Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) als Sammelbecken für den deutschen Liberalismus erscheint.

Der neue ungarische Ministerpräsident Mihály Graf Károlyi von Nágykarolyi ruft in Budapest die ungarische Republik aus.

17.11.1918, Sonntag

Einen Skandal löst in Berlin der selbsternannte “Oberdada” Johannes Baader aus, als er während des Gottesdienstes im Dom auf die rhetorische Predigerfrage “Was ist uns Jesus Christus?” ruft: “Christus ist Euch wurscht!”

18.11.1918, Montag

Der weißrussische Admiral Alexandr W. Koltschak stürzt die am 23. September gebildete antibolschewistische Regierung und erklärt sich in Omsk zum Oberkommandierenden und zum Reichsverweser für ganz Russland.

Der Staatssekretär des Äußeren, Wilhelm Heinrich Solf, richtet einen Appell an den US-Staatssekretär des Äußeren, Robert Lansing, die Behinderung der Transportwege nach Deutschland wegen der bedrohlichen Lebensmittelknappheit zu beenden.

19.11.1918, Dienstag

Französische Truppenverbände ziehen unter Führung von General Philippe Pétain in Metz ein.

Im Berliner Lessing-Theater findet die deutsche Erstaufführung des Schauspiels “Der Schöpfer” des österreichischen Autors Albert Bassermann statt.

20.11.1918, Mittwoch

Als politisches Gegengewicht zu den sog. freien (sozialistischen) Gewerkschaften bilden die christlichen Gewerkschaften, die liberalen Gewerkschaften (Hirsch-Duncker) und der Deutsch-Nationale Handlungsgehilfen-Verein gemeinsam den “Deutsch-Demokratischen Gewerkschaftsbund”.

In Berlin und anderen deutschen Großstädten finden unter großer Volksbeteiligung Beisetzungsfeiern für die Opfer der Revolution statt.

21.11.1918, Donnerstag

Die letzten deutschen Truppen verlassen Elsass-Lothringen, das von französischen Truppen besetzt wird.

Das Zentrum gibt ein neues Programm heraus, in dem es sich gegen jede Form von Klassenherrschaft ausspricht. Gleichzeitig wird die christlich-konservative Partei in “Christliche Volkspartei” umbenannt.

Per Dekret wird vom Rat der Volksbeauftragten in Berlin die Entschädigung für Arbeiter bei vorübergehendem Stilliegen des Betriebes verkündet.

In Berlin wird der erste Film des Regisseurs Viktor Janson “Der gelbe Schein” mit Pola Negri und Harry Liedtke in den Hauptrollen uraufgeführt.

22.11.1918, Freitag

Neue Karten der deutschen Kolonien erscheinen im Dietrich-Reimer-Verlag, Berlin.

Der Vollzugsrat des Groß-Berliner Arbeiter- und Soldatenrats und die Volksbeauftragten treffen eine Vereinbarung über die vorläufige Ausübung der Regierungsgewalt.

Die “Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP)” wird gegründet. Sie fasst konservative, antisemitische und nationalistische Gruppierungen zusammen.

Französische Truppenverbände besetzen Straßburg.

23.11.1918, Samstag

Die hessischen Räte bestehen auf einer möglichst umgehenden Einberufung eines Nationalrates, da sie jede Form von Diktatur ausdrücklich ablehnen.

Unter maßgeblicher Beteiligung des Reichstagsabgeordneten und Industriellen Gustav Stresemann wird die konservative Deutsche Volkspartei (DVP) gegründet.

In der Neuinszenierung von Friedrich von Schillers “Wilhelm Tell” durch den Direktor der Berliner Volksbühne, Friedrich Kayssler, spielen u.a. Jürgen Fehling, Adele Sandrock und Mary Dietrich (später Marlene Dietrich, eigentlich Maria Magdalena von der Losch).

24.11.1918, Sonntag

Kroaten, Slowenen und Serben erklären in Agram (Zagreb) ihre Unabhängigkeit.

Zweifel an der organisatorischen Durchführbarkeit einer Nationalversammlung im Februar 1919 werden in der deutschen Presse laut. Auch befürchten die Zeitungen, die radikalen Sozialisten würden alles tun, um Wahlen so lange wie möglich hinauszuzögern.

25.11.1918, Montag

Die Reichskonferenz der deutschen Republiken in Berlin beschließt, in jedem Fall an der Reichseinheit festzuhalten und möglichst bald eine Nationalversammlung einzuberufen.

Die deutschen Truppen in Ostafrika kapitulieren endgültig.

26.11.1918, Dienstag

Der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD) wirft dem Auswärtigen Amt vor, da es von Vertretern des alten Systems geleitet werde, betrüge es mit seiner Politik das deutsche Volk. Diese Auffassung teilt der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat in München. Er fordert den Arbeiter- und Soldatenrat in Berlin vergeblich auf, die Regierung zu stürzen.

27.11.1918, Mittwoch

In Deutsch-Österreich wird das Gesetz über die neue Wahlordnung verabschiedet. Sie gewährt Männern und Frauen Wahlrecht ab dem 20. Lebensjahr.

In Preußen werden statt der bisherigen geistlichen Schulaufsicht staatliche Schulinspektoren eingesetzt.

In einer neuen Prosa- und Lyrik-Reihe des Roland-Verlages, München, erscheinen u.a. Werke von Hermann Kasack und Arnold Zweig.

28.11.1918, Donnerstag

Das Auktionshaus Paul Cassirer, Berlin, präsentiert 70 bisher unveröffentlichte Werke des Malers und Zeichners Max Liebermann, die zu einem Stückpreis von rund 1000 Mark verkauft werden.

Im Frankfurter und im Düsseldorfer Schauspielhaus wird Georg Kaisers neues Drama “Gas” uraufgeführt.

Kaiser Wilhelm II. dankt formell ab. Die ehemalige Kaiserin Auguste Viktoria begibt sich ebenso wie Wilhelm II. ins niederländische Exil nach Doorn.

29.11.1918, Freitag

Beim Verlag S. Fischer in Berlin erscheint Arthur Schnitzlers Novelle “Casanovas Heimkehr”.

Laut Erlass des neuen deutschen Kultusministers Adolf Hoffmann (USPD) soll die Teilnahme am Religionsunterricht in den Schulen von nun an freiwillig sein.

Die deutsche Regierung schlägt den Siegermächten die Bildung einer neutralen Kommission zur Klärung der Kriegsschuldfrage vor.

Die Volksbeauftragten der provisorischen deutschen Regierung beschließen in Berlin das Reichswahlgesetz für die zukünftige Nationalversammlung.

Die Rote Armee erobert die estnische Stadt Narwa. Daraufhin findet die Proklamation der Estnischen Sowjetrepublik unter dem Titel “Estnische Arbeitskommune” statt.

30.11.1918, Samstag

Island wird durch die Unionsakte in Personalunion mit Dänemark als selbständiger Staat anerkannt.

Wilhelm II., König von Württemberg, dankt ab.

Chroniknet