Rückblick 1944 – Das Reich steht vor dem Kollaps

Rückblick 1944 – Das Reich steht vor dem Kollaps
Vereidigung von Volkssturmmännern. "Der feierliche Schwur auf die Fahne". Bundesarchiv, Bild 146-1978-087-24 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de]

+++ VOR 80 JAHREN +++

Die Ankunft der ersten Flüchtlinge aus dem Osten macht deutlich, dass der Krieg auf das Reichsgebiet vorgedrungen ist. Massives Bombardement demoralisiert die Bevölkerung und bereitet die Invasion vor. Volkssturm:

Ein Erlass Adolf Hitlers vom 25. September bestimmt, dass alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren zum »Volkssturm« einberufen werden können, um den »Heimatboden« zu verteidigen. Beinahe 1 Mio. deutsche Kinder, Greise und Kranke werden eingezogen. Ausbildung und Ausrüstung sind völlig unzureichend. Die Bewaffnung besteht aus Beutewaffen, Panzerfäusten oder aus dem speziell für diese notdürftig zusammengestellten Kampftruppen konstruierten »Volksgewehr«. Mit der Aufstellung der ersten Bataillone wird am 18. Oktober begonnen.

Flüchtlingsstrom:

Nachdem sowjetische Truppenverbände am 16. Oktober in Ostpreußen eingedrungen waren und ihren Rachegelüsten an der Zivilbevölkerung freien Lauf ließen, setzt der große Flüchtlingsstrom Richtung Westen ein. Die Flüchtlinge machen sich zu Fuß, mit Karren oder Pferdewagen auf den Weg. Viele sind den Strapazen nicht gewachsen, fallen Hunger, Kälte, Krankheiten, Erschöpfung oder sowjetischen Überfällen zum Opfer.

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Zeitungen zum 25.09.1944

Säuberungswelle:

Nach dem misslungenen Attentat von Claus Graf Schenk von Stauffenberg auf Hitler (20.7.1944) beginnt die Jagd auf Täter und Mitwisser. Von Terror, Folter und Hinrichtungen betroffen sind nicht nur die direkt am Attentat Beteiligten, sondern auch Familienangehörige und viele andere einer regimekritischen Haltung Verdächtige. Etwa 7000 kommunistische, sozialdemokratische, bürgerliche und christliche Widerständler werden verhaftet. Von den rd. 200 exekutierten Widerständlern gehören mindestens 20 der Widerstandsgruppe um Carl Friedrich Goerdeler an, mindestens 60 der Wehrmacht, zehn dem Geheimdienst, acht dem »Kreisauer Kreis«, sechs dem »Solf-Kreis« und jeweils zehn dem sozialdemokratischen Widerstand und christlichen Gruppen. Am 18. August wird der ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Ernst Thälmann, nach über elfjähriger Haft im KZ Buchenwald erschossen.

Bombardierungen:

Am 20. Februar beginnt die alliierte Luftoffensive »Big Week«. Die Bombenabwürfe gelten der Vernichtung der deutschen Flugzeugindustrie. Bis 25. Februar werden fast 10 000 t Bomben auf Ziele u.a. in Braunschweig, Hamburg, Posen und Leipzig abgeworfen. Seit Mai 1944 werden die deutschen Benzin- und Chemiewerke gezielt bombardiert, von September an auch das Verkehrsnetz.

»Wunderwaffen«:

Die von der deutschen Propaganda gepriesene rückstoßgetriebene Flugbombe »V 1« kommt am 12. Juni erstmals gegen Großbritannien zum Einsatz. Die »V 2«, die erste große ballistische Rakete der Welt, wird am 8. September erstmals auf London abgefeuert. In beiden Fällen ist die Zerstörungskraft und die militärische Wirkung eher gering. Zur Herbeiführung einer Kriegswende, wie propagandistisch verbreitet, taugen die neuen Waffen nicht.

Stichwort: Zwangsarbeiter

Im Frühjahr 1944 befinden sich rd. 7 Mio. sog. Fremdarbeiter, u.a. aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Belgien und den Niederlanden im Deutschen Reich. Da die Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse katastrophal sind und vor allem Russen und Polen zu Hunderttausenden sterben, ist es wahrscheinlich, dass die deutschen Behörden rd. 14 Mio. Ausländer verschleppt haben. Ziel der am 21. März 1942 vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, eingeleiteten Maßnahmen ist die Freistellung deutscher Arbeitskräfte für den Wehrdienst.

Zwangsrekrutierung:

Da der Bedarf an Arbeitskräften vor allem in der Rüstungs- und Bauindustrie sowie in der Landwirtschaft höher ist als die verfügbare Zahl Freiwilliger, befiehlt Sauckel von Beginn an auch Zwangsrekrutierungen. Diese werden von Einsatzkommandos der Arbeitsämter, unterstützt von Einheiten der Sicherheitspolizei und der SS, mit brutaler Gewalt durchgeführt. Besonders in Polen und der Sowjetunion werden Männer, Frauen und Jugendliche oft auf offener Straße ergriffen, gefesselt und ins Deutsche Reich deportiert.

Lebensbedingungen:

Sogenannte Ostarbeiter dürfen im Deutschen Reich ihren Aufenthaltsort nicht wechseln, nachts ihre Unterkunft nicht verlassen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Gaststätten oder kulturellen bzw. gesellschaftlichen Veranstaltungen besuchen, keine Radios oder Zeitungen besitzen und keinen Kontakt zu Deutschen aufnehmen. Ohne ausreichende Ernährung und unter oft lebensgefährlichen Bedingungen werden sie zu harter Arbeit gezwungen. Sie erhalten nur einen minimalen Verdienst und wohnen in Baracken, Ställen oder Kellern.

Chroniknet