Pferd, Dampflok, Straßenbahn

Pferd, Dampflok, Straßenbahn
Württembergischer D-Zug-Wagen der Gattung ABCCü von 1901, By Unknown (Werksfoto der Maschinenfabrik Esslingen) [Public domain], via Wikimedia Commons

Verkehr 1901:

Der Ausbau des Straßenbahn- und Eisenbahnnetzes sowie der Binnenschifffahrtswege steht im Vordergrund der Verkehrspolitik. Eine wichtige Antriebskraft im Verkehr ist immer noch der »Hafermotor« mit einem PS: das Pferd. Nach der letzten Viehzählung vom 1. Dezember 1900 gibt es im Deutschen Reich mehr als 4,1 Mio. Pferde. Viele von ihnen werden in den Großstädten benötigt, denn das Transportaufkommen ist entsprechend der Zunahme der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Allein in Hamburg gibt es 16 700 Pferde. Bei der Personenbeförderung in den Großstädten werden die von Pferden gezogenen alten Omnibusse immer mehr durch elektrisch getriebene Bahnen verdrängt. Von den in Berlin im öffentlichen Nahverkehr beförderten mehreren hundert Mio. Fahrgästen fahren weit über die Hälfte mit der Straßenbahn. Um den Unfallgefahren vorzubeugen, denen die Fußgänger im hektischen Großstadtverkehr ausgesetzt sind, beginnt man in Berlin damit, die Motorwagen der Straßenbahnen mit neuen Schutzvorrichtungen auszurüsten. Ein vorne angebrachter Fangkorb soll verhindern, dass angefahrene Passanten unter die Räder der Straßenbahn geraten. Immer populärer als individuelles Fortbewegungsmittel wird das Fahrrad: Ein exklusives Sportgerät für die Freizeit von einst entwickelt sich zum Gebrauchsgegenstand für den Alltag.

Das wichtigste Personenbeförderungsmittel aber ist die Eisenbahn. Innerhalb der letzten zehn Jahre stieg die Länge der in Betrieb befindlichen Bahnstrecken im Deutschen Reich von 42 869 km im Jahr 1890 auf 52 710 km Ende 1901. In Europa beträgt die Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes 290 816 km; insgesamt umfasst das Eisenbahnnetz der Erde 1901 eine Länge von 816 755 km.

Württembergischer D-Zug-Wagen der Gattung ABCCü von 1901, By Unknown (Werksfoto der Maschinenfabrik Esslingen) [Public domain], via Wikimedia Commons

Württembergischer D-Zug-Wagen der Gattung ABCCü von 1901, By Unknown (Werksfoto der Maschinenfabrik Esslingen) [Public domain], via Wikimedia Commons

Größere Anforderungen werden an die Bequemlichkeit und vor allem an die Schnelligkeit der Bahnverbindungen gestellt. Rekordhalter in dieser Hinsicht ist die Verbindung zwischen Hamburg und Berlin. Der schnellste Zug im Deutschen Reich braucht für die 286 km lange Strecke nur drei Stunden 28 Minuten. Die schnellsten Züge der Welt verkehren in Großbritannien: So erreicht der Schnellzug zwischen London und Bristol eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 86 km/h. Eine erhebliche Beschleunigung des Schienenverkehrs erhoffen sich die Techniker durch elektrisch angetriebene Züge. Zur Erprobung wird in Berlin eine Versuchsstrecke zwischen Marienfelde und Zossen eingerichtet. Planungen für die Zukunft sehen vor, Hamburg und Berlin durch eine elektrische Schnellbahn zu verbinden. Dabei sollen Geschwindigkeiten um 200 km/h erreicht werden.

Die Fahrgäste der Bahnen müssen sich derzeit noch mit kleineren Verbesserungen zufriedengeben. Beispielsweise beginnen die Bahnverwaltungen 1901 damit, aus Sicherheitsgründen die Innenbeleuchtung der Wagen von Gas auf Elektrizität umzustellen. Bisher bestand bei Unfällen eine erhebliche Brandgefahr. Eine Vergünstigung für die Reisenden gibt es bei den Tarifen. Seit dem 4. Juli 1901 haben auf den preußisch-hessischen Staatsbahnen die Rückfahrkarten eine Gültigkeit von 45 Tagen.

Im Seeverkehr geht die Zeit der Segelschiffe allmählich zu Ende. Die deutsche Handelsmarine umfasst 1901 zwar noch 2496 Segelschiffe gegenüber 1463 Dampfschiffen. Deren Tonnage ist mit ca. 1,5 Mio. BRT jedoch fast dreimal so groß wie die der Segler mit ca. 587 000 BRT. Von großer Bedeutung für die Industrie ist der Ausbau der deutschen Binnenschifffahrtswege. Im Frühjahr wird mit den Bauarbeiten für den Teltowkanal bei Berlin begonnen. Die Anlagen für den neuen Seehafen in Emden werden im August 1901 fertiggestellt. Durch den Ausbau des Hafens kann der seit 1899 fertige Dortmund-Ems-Kanal seine volle verkehrsmäßige Funktion übernehmen.

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