Kutschen, Pflüge, Flugzeuge

Auto und Verkehr 1907:

Die Kindheitsjahre des Automobils, als kaum ein längerer Ausflug ohne Reparaturen und Schlosserarbeiten möglich war, sind vorbei. »Das Automobil ist ein durchaus zuverlässiges Betriebs- und Sportsmittel geworden, und man kann Hunderte von Meilen darin zurücklegen, ohne auch nur einen Schraubenschlüssel in Tätigkeit zu setzen«, urteilt Hans Dominik in der Berliner Zeitschrift »Die Woche«. Dabei beschreibt er die gesellschaftliche Funktion eines Automobils so: Ein Kraftwagen bietet »die Gelegenheit, soliden Reichtum zu zeigen und einen Luxus zu pflegen, der besonders in den internationalen Modebädern zur reichsten Entfaltung kommt«. Weiter heißt es: »Die Frau, die im eleganten Kostüm einen modernen, schönen Kraftwagen mit Geschicklichkeit und Verve steuert, bietet sportlich und ästhetisch ein Bild, das hinter dem einer sattelgerechten Amazone, einer waidgerechten Jägerin sicher nicht zurückbleibt.«

Die Eroberung der Straßen durch das Automobil läuft freilich nicht ohne Proteste ab. Über die Unfallzahlen in Preußen im zweiten Halbjahr 1907 sagt ein Abgeordneter im Landtag in Berlin: »In den letzten sechs Monaten sind 2920 Automobilunfälle bei uns vorgekommen und 33 Menschen getötet worden. Und zwar waren es durchweg Luxusautomobile, die diese Unfälle verursachten, Sport- und Vergnügungswagen. Die Automobilisten legen oft eine beispiellose Rohheit an den Tag, wenn sie so dahinsausen. Diese Herren schätzen den Wert ihrer Zeit denn zu hoch ein. Gerade die Landwege sind besonders gefährdet, und die Landbevölkerung ist über die Autler in höchstem Maße verbittert, zumal da diese sich, wenn sie etwas angerichtet haben, durch die Flucht der Verantwortung zu entziehen belieben.«

Produziert werden jedoch schon lange nicht mehr nur Automobile, der Benzinmotor erschießt sich ständig neue Anwendungsbereiche. So liefert Daimler in diesem Jahr die erste voll motorisierte Feuerlöschspritze aus, obwohl noch 1906 ein »Sachverständiger« geäußert hatte, dass die Verwendung »benzingetriebener Explosionsmotoren einem automobilen Feuerwehrbetrieb für alle Zeiten entgegensteht«. In Großbritannien konstruieren Roberts und Hornsby den ersten brauchbaren Raupenschlepper – ein Fahrzeug, an dem vor allem die Militärs großes Interesse zeigen (der Schlepper wird Vorläufer der britischen Tanks, der späteren Panzer). Robert Stook und Karl Gleiche konstruieren den ersten Motorpflug. Die Opel-Werke in Rüsselsheim produzieren ab 1907 neben Personenwagen auch Lastwagen, Motorpflüge, Flugzeugmotoren und eine schwere Zugmaschine. Diese breite Palette bei Opel ist zugleich ein Beispiel dafür, dass sich die meisten Autohersteller nicht auf den Bau von Automobilen beschränken, sondern die Kfz-Produktion erst dazukam: Opel etwa ist zugleich einer der größten Fahrradproduzenten der Welt. Die Firma Adler wiederum stellt neben Automobilen Fahrräder und Schreibmaschinen her.

Noch keine Konkurrenz für den Benzinmotor als Autoantrieb stellt der Dieselmotor dar. Der Erfinder Rudolf Diesel denkt in eine völlig andere Richtung: 1907 gründet er mit dem deutschen Eisenbahningenieur Adolf Klose in Winterthur in der Schweiz die »Gesellschaft für Thermo-Lokomotiven«. Das Unternehmen entwickelt – zunächst auf dem Papier – eine 1500-PS-Diesellokomotive.

Chroniknet