Schiene ohne Konkurrenz

Verkehr 1912:

Mit der Industrialisierung wuchs die Bedeutung des Transportmittels Eisenbahn, das auch in der Zeit vor dem Weltkrieg wichtigstes Verkehrsmittel ist. Die Personen- und Güterbeförderung erfolgt trotz zunehmender Automobilherstellung zumeist auf dem Schienenweg. Das Deutsche Reich verfügt über ein gut ausgebautes Streckennetz, insgesamt ist es 60 521 ,1 km lang. Fahrzeitverkürzungen – ein ab 1. Juni verkehrender Schnellzug 1. und 2. Klasse zwischen Berlin und München benötigt z. B. nur 8:58 h – und der Komfort in den oberen Klassen machen das Bahnreisen durchaus attraktiv. Allerdings klagen die Verwaltungen über die Unrentabilität der 1. Klasse, da sie selten ausgelastet ist. Gewinn hingegen bringen die 3. und 4. Klasse.

Mehr Einnahmen erhoffen sich die Staatsbahnen durch die schon in Frankreich, Großbritannien und Italien erfolgreich eingeführte Elektrifizierung. Zur Zeit wird die Strecke Halle-Leipzig-Magdeburg umgerüstet.

Im Nahverkehr haben sich elektrisch betriebene Fahrzeuge schon längst durchgesetzt. Auf den S-Bahn-Netzen in Hamburg und Berlin sollen bald die letzten Dampflokomotiven verschwunden sein, und innerhalb der Städte behauptet sich die Straßenbahn weit vor den Kraftomnibussen. Seit dem Einsatz der ersten Pferdebahn am 22. Juni 1865 von Berlin nach Charlottenburg und der Einführung der »Elektrischen« um 1890 gibt es z. Z. 580 Straßen- und Kleinbahngesellschaften in Deutschland. Allein im Jahr 1910 beförderten sie etwa 2,5 Mrd. Personen. Wenn auch die Zahl der Busse in den letzten zwei Jahren stark zugenommen hat, z. B. in Berlin von August 1911 bis September 1912 um 275,7%, so bilden diese jedoch noch längst keine Konkurrenz für die »Tram«.

Das Straßenbahnnetz innerhalb der Städte ist weit verzweigt und bietet auch in der Schnelligkeit erheblichen Komfort. So ergibt ein über drei Monate durchgeführter Test in Berlin, dass die Wartezeit beim Umsteigen durchschnittlich zwei Minuten beträgt.

Keine Rolle spielen vorläufig Verbindungen in der Luft. Zwar plant die 1909 gegründete Deutsche Luftfahrt-Aktiengesellschaft, die DELAG, den Aufbau einer regelmäßigen Luftlinie zwischen den großen Städten, doch scheiterte dieses Vorhaben bisher an der geringen Zahl von Luftschiffhallen sowie an der hohen Unfallquote der Zeppeline. Ebenso unvollkommen für den Einsatz als Verkehrsmittel erweist sich der technische Entwicklungsstand bei den Flugzeugen.

Chroniknet