Wirtschaft contra Landschaftsschutz

Werbung 1912:

Konjunktur und wachsende Konkurrenz zwischen wirtschaftlichen Unternehmen ziehen umfangreichere Werbeaktionen nach sich: In Zeitungen und Zeitschriften fallen häufiger als bisher statt der üblichen Textanzeigen ganzseitige künstlerisch gestaltete Annoncen auf, in den Metropolen erstrahlen allnächtlich Lichtreklamen, die Brandmauern der städtischen Mietshäuser dienen als Untergrund für riesige Werbemalereien, und an Bahnlinien bzw. Straßen wecken immer häufiger farbige Reklameschilder die Aufmerksamkeit der Passanten.

Diese Entwicklung stößt auch auf Widerspruch. Heimatschützer, Architekten, Denkmalpfleger und Künstlerverbände sehen in der Zunahme der Werbung eine Verunstaltung der Landschaft und einen Verfall der Ästhetik. Sie fordern vom Staat einschränkende Maßnahmen. Der Verband der Reklameinteressenten (u. a. Sunlicht Seifenfabrik Mannheim, Kathreiners Malzkaffeefabriken Berlin, Maggi Berlin, Gebrüder Stollwerck Köln, Continental Hannover und Sinalco Detmold) lädt deshalb Vertreter der Reklamegegner im März zu einer Versammlung in Frankfurt am Main ein. Ziel der Veranstalter ist eine »dauernde Verbesserung dieser ungesunden Verhältnisse, nämlich die allmähliche Verständigung der materiellen und ideellen Tendenzen auf der Basis >leben und leben lassen<. Die Bekämpfung wirklicher Auswüchse der Reklame einerseits wie unmoderner, bürokratischer, reklamefeindlicher Tendenzen andererseits durch das positive praktische Zusammenwirken der entgegengesetzten Bestrebungen in Reklameausschüssen.«

Weitere Proteste richten sich gegen »unsittliche« Darstellungen auf Plakaten, insbesondere auf denen der Kinos mit »jenen grellen bunten Bildern, die möglichst krasse Szenen darstellen und oft eine große Schar Jugendlicher anlocken«. Das preußische Innenministerium möchte deshalb den »Plakatunfug der Kinematographentheater« steuern.

Chroniknet