Militärmanöver zur Ablenkung von innenpolitischen Problemen

Politik und Gesellschaft 1913:

Im Deutschen Reich bestimmt der von Kaiser Wilhelm II. propagierte »Endkampf zwischen Germanentum und Slawentum« (sprich Deutsches Reich und Österreich-Ungarn gegen Russland und Serbien) die Regierungspolitik. So dienen die im Juni vom deutschen Reichstag verabschiedete Wehrvorlage (als umfangreichste Rüstungsmaßnahme seit Gründung des Deutschen Reiches 1871), die intensive Erprobung von Luftschiffen für militärische Zwecke sowie zahlreiche Manöver zu Land und Wasser der Kriegsplanung. Unter diesem Aspekt ist auch die politisch brisante Entsendung einer deutschen Militärmission in das Osmanische Reich (Liman-von-Sanders-Mission) zu sehen.

Publizistisch wird die Regierungspolitik durch die konservative Presse und einflussreiche gesellschaftliche Gruppen wie den Alldeutschen Verband und den Deutschen Flottenverein unterstützt, die eine deutsche Vorherrschaft in Europa anstreben. Ein spektakulär inszenierter Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Einweihung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals am 18. Oktober, mit dem an die sog. Befreiungskriege erinnert wird. Ein Indiz für die zunehmend offenere Militarisierung der Gesellschaft im Deutschen Reich ist auch die sog. Zabern-Affäre – sie führt gegen Ende des Jahres zur schwersten innenpolitischen Krise seit 1908. Parallel zum deutschen Großmachtstreben verschärfen sich die sozial- und innenpolitischen Probleme im Deutschen Reich: Steigende Arbeitslosigkeit, hohe Preise für lebensnotwendige Güter wie Fleisch und eine immer deutlicher werdende Produktionskrise in Teilen der Wirtschaft sind Symptome des konjunkturellen Niedergangs.

Als eine Alternative zu der als »erstarrt« empfundenen Lebenswelt der wilhelminischen Gesellschaft versteht sich die deutsche Jugendbewegung, die mit dem Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner ihre Bedeutung in der Öffentlichkeit dokumentiert.

Nicht nur im Deutschen Reich, sondern in fast allen europäischen Ländern werden 1913 die Kämpfe um die Einführung des Frauenwahlrechts fortgesetzt. Vor allem die britischen Suffragetten erregen durch den Einsatz auch militanter Mittel beträchtliches Aufsehen.

Chroniknet