Politik und Gesellschaft 1918:
Die österreichisch-ungarische Donaumonarchie unter Kaiser Karl I. gerät 1918 in akute Gefahr, als Staatswesen auseinanderzubrechen und damit die Großmachtstellung, die sie während mehr als zwei Jahrhunderten Habsburgerherrschaft innehatte, einzubüßen. Der Vielvölkerstaat – Deutschösterreicher, Ungarn, Böhmen, Slowenen, Tschechen, Serben, Kroaten u. a. sind im Riesenreich der Habsburgerdynastie vereinigt – bildet einen fruchtbaren Boden für Autonomiebestrebungen. Am Ende des Jahres gibt es keine k.u.k. Monarchie mehr, dafür vier neue Staaten: Deutschösterreich, die Tschechoslowakei, Ungarn und das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.
Im November 1918 – ein Jahr nach der Beseitigung der russischen Zarenherrschaft durch die Bolschewiki – ist die Welt geprägt vom Umbruch der politischen Systeme. Die Völker der vom Krieg gebeutelten Industriestaaten blicken gespannt nach Russland. Die kargen Informationen, die von dort nach Westeuropa dringen, animieren bislang macht- und einflusslose Bevölkerungsschichten, an einen Umsturz im eigenen Land zu denken. Im Deutschen Reich zeigt sich das am Erstarken des Spartakusbundes, den Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1916 als »Gruppe Internationale« ins Leben riefen. Am Ende des Jahres 1918, wesentlich beeinflusst durch die revolutionäre Stimmung, die besonders die Großstädte des Reichs mit Beginn des Novemberaufstands erfasst hat, ist die Basis für die Gründung einer kommunistischen Partei im Deutschen Reich geschaffen.
Die provisorische Regierung der ersten deutschen Republik, der am 10. November unter Friedrich Ebert gebildete »Rat der Volksbeauftragten«, setzt sich je zur Hälfte aus Mitgliedern der gemäßigten MSPD und der radikalsozialistischen USPD zusammen. Die schweren Konflikte zwischen beiden Parteien, die später nicht unerheblich zum Untergang der Weimarer Republik beitragen sollen, deuten sich bereits jetzt an.