Wohnraum für die Heimkehrer

Wohnen und Design 1918:

Im vierten Kriegsjahr ist der Neubau von Wohnhäusern fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Knappheit an Baumaterialien ist hierfür ebenso verantwortlich wie die Tatsache, dass niemand da ist, der die Wohnungen bauen könnte. Fast alle wehrtauglichen Männer sind eingezogen, das Gros der verfügbaren Arbeitskräfte arbeitet mittelbar oder unmittelbar für die Rüstungsindustrie.

Der Mangel an neuem Wohnraum ist im letzten Kriegsjahr aber noch nicht das Hauptproblem der Menschen geworden. Die Einziehung der Männer zum Kriegsdienst und der dadurch freiwerdende Wohnraum entspannt die Lage bis zum Jahresende noch. Hinzu kommt der seit Kriegsbeginn anhaltende Geburtenrückgang und die hohe Säuglingssterblichkeit. Im Verhältnis zur Vorkriegszeit ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Person sogar bedeutend erhöht. Allerdings stellen schon die kleinsten Instandsetzungsarbeiten vor nahezu unlösbare Probleme, da oft weder Handwerker noch Material zur Ausbesserung vorhanden sind.

Die Wohnungsbaubehörden verstärken 1918 ihre Vorbereitungen für das erwartete nahe Kriegsende, das schlagartig einige Wohnprobleme sichtbar machen wird, die durch den Ausnahmezustand des Krieges nur verdeckt sind. Detaillierte Planungen werden besonders für die Förderung des Kleinwohnungsbaus vorgelegt. Ein- bis Dreizimmerwohnungen werden im Zuge der weiteren Verstädterung in Zukunft von immer größerer Bedeutung sein.

Über das ganze Jahr hinweg erscheinen Aufrufe an die Bevölkerung, alle nicht unbedingt benötigten Möbelstücke heimkehrenden Soldaten zur Verfügung zu stellen, damit diese zumindest das nötige Mobiliar zur Gründung einer Familie haben. Auch soll die Fabrikation preiswerter Einheitsmöbel gefördert werden. Zahlreiche Stadtverwaltungen haben die Möbelindustrie mit der Erstellung sogenannter »Musterzimmer« beauftragt.

Chroniknet