Verkehr 1930:
+++ VOR 94 JAHREN +++
Die Entwicklung zum modernen Massenverkehr, die bereits in den vergangenen Jahren begonnen hat, setzt sich auch in diesem Jahr fort: Rasch steigende Zulassungen bei Pkw und Lkw besonders in den westlichen Industrieländern gehen einher mit den Bemühungen in der Luftfahrt, das Netz der Fluglinien weiter auszudehnen. Für die Deutsche Reichsbahn verstärkt der intensivere Einsatz von Kraftfahrzeugen als Transportmittel die Konkurrenz auf dem Gebiet des Personen- und Gütertransports.
Die wachsende Zahl von Pkw – allein im Deutschen Reich steigt die Zahl der Pkw von 433 205 (1929) auf 501 254 (1930) um 15,7% – hat zur Folge, dass Kraftfahrzeuge zunehmend das Straßenbild beherrschen und von immer mehr Menschen täglich als Fortbewegungsmittel benutzt werden. Viele Autofahrer treten den Automobilclubs bei, die ihren Mitgliedern zahlreiche Servicedienste, u. a. Pannenhilfe, bieten und sich für die Anpassung des Verkehrssystems an die Bedürfnisse des Automobilverkehrs einsetzen. 1930 haben der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) und der Automobilclub von Deutschland (AvD) zusammen bereits über 130 000 Mitglieder.
Der wachsende Straßenverkehr wirkt sich auch auf die Verkehrspolitik von Reich und Ländern aus. Eine strengere Regelung des Verkehrs und der Aus- und Umbau des 280 000 km langen deutschen Straßennetzes werden in Angriff genommen. So regeln beispielsweise in Berlin seit 1930 Ampelanlagen den Straßenverkehr.
Im Luftverkehr werden die Bemühungen fortgesetzt, durch den Ausbau des Flugnetzes und den Bau von größeren und leistungsfähigeren Maschinen, das Flugzeug als Verkehrsmittel auch für Fernreisende attraktiv zu machen. Ein Resultat dieser Bemühungen ist die Konstruktion des Riesenflugbootes Do-X, das maximal 70 Passagiere aufnehmen kann und 1930 seinen ersten Transatlantikflug unternimmt. Das erweiterte Flugnetz macht einen Ausbau der Flugsicherheit erforderlich: Zur Ortung der Flugzeuge sind im Deutschen Reich 13 Peilstellen installiert; fünf Wetterflugstellen in Berlin, Hamburg, Darmstadt, München und Königsberg melden täglich das Flugwetter.
Die zunehmende Konkurrenz der Lkw im Güterverkehr ist ein Grund für wirtschaftliche Probleme der Reichsbahn. 1930 werden auf dem Schienenweg mit 399,5 Millionen t 17,8% weniger Güter transportiert als im Vorjahr. Der Lkw bietet gegenüber der Bahn den Vorteil, dass er das Transportgut ohne Umladen direkt zum Abnehmer der Waren bringen kann. Durch den Aufbau eines überregionalen Versorgungsnetzes für Strom und Gas im Deutschen Reich verliert die Bahn weitere wichtige Kunden; die für Industriezwecke benutzte Kohle muss vielfach nicht mehr zu den einzelnen Werken gebracht werden, deren Versorgung übernehmen zentral gelegene Kraftwerke.
Die Bahn wird zudem durch den Bau von Kanälen, wie z. B. des 1930 eröffneten Lippe-Seitenkanals, von der Binnenschifffahrt als Zulieferer von Massengütern zum Rhein und zur Nordsee verdrängt.