Feminine Eleganz en vogue

Mode 1930:

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise lassen für weite Teile der Bevölkerung Fragen der modischen Bekleidung in den Hintergrund treten. Für sie wird Selbstschneidern, Aufarbeiten und Ändern alter Kleidungsstücke zur existenziellen Notwendigkeit.

In der Modewelt vollzieht sich eine Rückbesinnung auf ruhige, feminine Eleganz. Dabei spielt die Diskussion um die neue Saumlänge eine große Rolle. »Ob kurz oder lang – darüber gehen die Ansichten noch auseinander, eines aber ist unumstößliche Tatsache geworden: Der Rock des Nachmittagskleides ist weit und glockig! … man trägt den runden, unten bogig ausgeschnittenen, einer glatten Hüftpasse angesetzten Rock, auch den verhältnismäßig engen Rock, der vorn breit, weit und glockig übereinandertritt, und man trägt das durchgehend geschnittene Prinzeßkleid, dessen große untere Weite durch einzelne, eingesetzte Glockenbahnen erzielt wird … Immer aber sind Hüftpartie und Taille, letztere meist durch einen Gürtel, figurbetont« (Bayerische Frauenzeitung, Nr. 4, 1930).

Zu den raffiniert geschnittenen Rockformen, die deutlich den Einfluss von Madeleine Vionnets Schrägschnitt zeigen, kommt ein durchweg einfaches Oberteil, das nur bei Nachmittagskleidern eine dekorative Garnierung aus Spitze, für Kragen, Jabots und Ärmel, aufweist. Etwas aufwendiger dagegen ist das sog. »Cocktail-Dress« für die kleinen festlichen Anlässe.

Großer Beliebtheit erfreuen sich Kleider mit kleinem Rückencape oder Bolero, die als separate oder teilweise festangearbeitete Jäckchen getragen werden. Sommerkleider sind nicht mehr ärmellos, sondern mit verspielten Flügel- oder Volantärmeln versehen. Betont modisch ist die hohe Taille.

Das Abendkleid ist generell lang und weist zwei konträre Modestile auf: Das figurbetonte »Sirenenkleid«, oftmals mit hoher Directoire-Taille, aus Spitze, Satin oder Samt, und das Tanzkleid im »Stil von Kaiserin Eugenie« mit duftig weitem Rock und vielen Volantreihen aus Taft oder Tüll. Die Abendkleider sind dekolletiert und haben dünne Achselbänder oder ein tiefes »griechisch drapiertes« Rückendekollete. Die neue schmale Silhouette löst in Modezeitschriften eine heftige Diskussion aus. »Die heutige Dame ist selbstbewußt und kein Jungmädchentyp … Die gerade Hängerlinie ist endgültig passé. Die Frau zeigt wieder sanfte Rundungen, kleine, aber immerhin existente Brüste, schmale Taille und schmale Hüften; sie wirken vorteilhaft, da sie den Körper gestreckt erscheinen lassen« (Die Dame, Nr. 26). Demgegenüber steht die Meinung: »Die stark modellierende Linie der Kleider tritt naturgemäß wieder zurück, da die Damen bestimmt darauf verzichten werden, sich in das angekündigte Korsett zu zwängen« (Moden-Spiegel, 12. 3.).

Die elegante Dame ist nach Maßgabe der Modejournale von makelloser Schönheit. Schmal ausgezupfte Augenbrauen, voller Mund und dunkelblaue Lidschatten sind gefragt. Bühne und Film ebenso wie Pferderennen gelten als die bedeutsamen Modeschauplätze. »Jede Premiere eines modernen Theaterstückes ist gleichzeitig eine Premiere der Mode. Die Bühne ist der Schauplatz von Eleganz und Schick. Die Heldin muß ihren Geschmack beweisen, behaupten – auch gegen Logen und Parkett« (Moden-Spiegel, 7. 10.).

Die Silhouette der Herrenkleidung ist ebenfalls figurbetont. Der modische Herr trägt bei offiziellen Anlässen doppelreihiges Sakko mit spitzem, stark pointiertem Revers und mit drei Knopfpaaren, von denen das obere weiter auseinandersteht. Dagegen ist der gewöhnliche Tagesanzug einreihig mit abfallendem, leicht gerolltem Revers. Dunkle Stoffe in allen Blau-, Grau- oder Brauntönen mit kleinem Punktmuster oder Streif haben sich durchgesetzt. Das Hemd ist weiß mit Streif. Ähnlich wie bei Diskussionen um die richtige Rocklänge gibt es auch unterschiedliche Positionen zur sportlich-saloppen Knickerbocker für den Herren, die immer mehr Anhänger findet. Die Zeitschrift »Moden-Spiegel«, stellt dazu am 25. März fest: »Für den Sport ist die Knickerbocker adäquat, jedoch wirkt sie in der Stadt deplaciert.«

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