Radikalisierung der Studenten durch Bildungsmisere

Bildung 1930:

Die Situation deutscher Studenten ist, wie im gesamten Bildungswesen, von den Folgen der schweren wirtschaftlichen Krise geprägt. Über 80% der Studierenden müssen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, da ihre Eltern nicht mehr in der Lage sind, sie ausreichend zu unterstützen. Nur noch wenige der rund 100 000 immatrikulierten Studenten erhalten einen ausreichenden »Monatswechsel«.

Viele Studenten wenden sich an das »Studentenhilfswerk«, eine studentische Selbsthilfeorganisation. Hier erhalten sie Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeit oder nach einem billigen Zimmer. Da die Lage auf dem Arbeitsmarkt aber von Firmenschließungen und Massenentlassungen gekennzeichnet ist, finden sich auch immer weniger Stellen für arbeitswillige Studenten.

Auch die Ausbildung an den Universitäten verschlechtert sich zusehends. Die meisten Hochschulen im Deutschen Reich sind überfüllt; 1930 verzeichnen sie eine Zunahme der Studentenzahlen um knapp 100% gegenüber dem Jahr 1914. Wegen der Stelleneinsparungen beim Lehrpersonal fallen Vorlesungen und Seminare aus, und die angebotenen Veranstaltungen sind oft überfüllt. Zudem haben Studienabsolventen auf dem Arbeitsmarkt kaum Aussicht auf eine Arbeitsstelle, die ihrer Ausbildung entspricht. Viele Studenten sind angesichts dieser Umstände sehr empfänglich für die Agitation rechtsradikaler Studentenbünde, wie dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB). Vor allem die Rechtsorganisationen verstärken ihre Propaganda-Arbeit an den deutschen Hochschulen. So erringt der NSDStB bei den Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss (ASTA) an neun deutschen Universitäten die absolute Mehrheit.

Chroniknet