Breite Schultern, enge Taillen und hausgemachter Chic

Mode 1932:

Weltwirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit beeinflussen auch die Mode des Jahres 1932. Viele Familien versuchen deshalb, aus der Not durch ideenreiche Selbsthilfe eine Tugend zu machen. Durch Änderungen an bereits getragenen Kleidungsstücken gibt man der Garderobe ein neues, modisches Aussehen: Durch einen neuen Aufputz mit Schmuckknöpfen und Hohlsaumverzierungen, oder durch kleine Schnittveränderungen, wie schräge Verschlüsse und asymmetrisch angebrachte Revers. Kleinste Stoffreste müssen für Fichugarnituren, Schleifen, Manschetten oder Patten herhalten. Anregungen für die »hausgemachte« Mode findet man in großer Auswahl in den Mode- und Schneiderheften, die Selbsthilfe propagieren und aus diesem Grund in Deutschland großen Absatz finden. Die bekanntesten Modezeitschriften sind »Elegante Welt«, »Die Dame« und »Deutsche Moden-Zeitung«. Hier werden neben Schnittmustern zum Selbermachen auch die neuesten Modelle der Pariser Couturiers, wie Jeanne Lanvin, Elsa Schiaparelli, Coco Chanel, Yves Rochas, Robert Piquet, Madeleine Vionnet, aber auch der Berliner Modeschöpfer wie Hilda Romatzki, A. Heise und Modehaus Gerstel vorgestellt.

Die internationale Modelinie von 1932, die auch in diesem Jahr ihre wichtigsten Anregungen aus der Modemetropole Paris erhält, propagiert die breite Schulterpartie, die enggeschnittene Taille und den schmalen, meist in Schrägschnitt verarbeiteten, gut wadenlangen Rock. Von der Wirtschaftskrise scheinbar unberührt präsentieren die großen Pariser Modehäuser wieder aufwendig produzierte neue Kollektionen, wobei Prinzesskleider mit hochliegender Empiretaille dominieren. Sie werden häufig durch kleine Capes oder farblich passende Boleros ergänzt.

Wichtigstes Accessoire ist in diesem Jahr die Schleife, die in vielen Variationen in der Damenmode zu sehen ist. Neu und modisch unerlässlich ist die durch Epauletten, Puffärmel oder einen breiten Kragen betonte Schulterpartie, eine Kreation der Pariser Modeschöpferin Schiaparelli gibt dazu den Anstoß.

Das Hauptaugenmerk und der Ehrgeiz der Couturiers aber gilt in diesem Jahr der fantasievollen Gestaltung der Ärmel. So sieht man auf den Laufstegen der Couturiers u. a. mittelalterlich geschlitzte Keulenärmel, Glockenärmel und weitgeschnittene Puffärmel, die in schlanke, anliegende Ärmel übergehen; dazu bauschige Ellenbogen oder Ärmel mit breiten, trichterförmigen Manschetten. Die Kostümjacken, besonders die mit Goldknöpfen verzierten, modischen Polo- oder Boyjacken, sind kurz und anliegend.

Für die stärkere Dame werden dreiviertellange Paletots angeboten. Mäntel sind betont sportlich mit breiten eckigen Revers und Gürtel. Flotte Kappen, Baskenmützen oder eine Toques werden schief in die Stirn gedrückt.

Bei der Gestaltung der Hüte sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Man formt seine Kopfbedeckung selbst und kauft dazu nur den rohen Filzstumpen. In mühevoller Heimarbeit entstehen so überraschende Kreationen, die oftmals Aufsehen erregen.

Der modisch extravagante Schuh für die Abendgarderobe ist mit Reptilleder aus Schlange, Eidechse oder Krokodil verziert und wird durch einen Stulpenhandschuh ergänzt

Die Modefarben des Jahres sind Dunkelblau und Lila in allen Schattierungen; im Sommer sieht man als Stoffmuster Zacken- und Wellenlinien sowie Streublümchen neben unifarbenen Stoffen, im Herbst wird Pepita und Hahnentritt getragen. Für die Haus- und Gartenarbeit gibt es Hosen mit sehr weiten Beinen und einem Miederbund.

Die Herrenkleidung sitzt sehr locker, wenngleich die Sakkos tailliert sind. Besonders Mäntel weisen eine lässige Überweite auf. Als Bereicherung für die Herrenmode ist in diesem Jahr die Weste in zweireihiger Ausführung zu haben.

Zu formellen Anlässen gibt es für den modebewussten Mann von Welt auch weiterhin keine Alternative zum traditionellen Frack. Hier bleibt es beim konservativen Schwarz mit weißer Hemdbrust und als Kopfbedeckung den Zylinder. Für den sportlich Interessierten bieten sich Alternativen: Im Grünen – als Aktiver oder Zuschauer bei Sport und Spiel – trägt der elegante Herr Norfolkjacke oder kurze Kletterjacke, dazu Knickerbocker.

Knaben tragen auch im Winter kurze Hose oder eine Knickerbocker mit dazu passenden Kniestrümpfen. Um im harten Alltag eines heranwachsenden Jungen bestehen zu können, sind die kurzen Hosen häufig aus robustem Leder gefertigt. Der Kauf der »ersten langen Hose« ist weiterhin ein besonderes Ereignis, das zumeist mit dem Erwerb eines Sonntagsanzuges stattfindet.

Chroniknet