Sparen in der Küche für die Autarkie

Ernährung, Essen und Trinken 1938:

Verwertung auch der geringsten Menge von Nahrungsmitteln und Verzehr von Kartoffeln und Mehlspeisen statt Fleischwaren und Butter – auf diese Formel lassen sich die Ernährungsgewohnheiten der meisten Familien im Deutschen Reich im Jahr 1938 bringen.

Während Fleisch als Folge der zurückgehenden Viehhaltung knapp und teuer ist – die Viehzählung vom 3. Dezember 1938 ergibt einen Rindviehbestand von 19,19 Millionen Stück (1937: 20,5 Millionen) und ein Schweineaufkommen von 23,54 Millionen (23,85) -, ist bei Brotgetreide aufgrund der guten Ernten (1938 im Altreich 13,9 Millionen t) und der fortdauernden Exporte von Getreide- und Getreideerzeugnissen die Versorgung der Bevölkerung gesichert. Daher können im September die Beimengungsvorschriften gelockert werden, das Brot wird qualitativ besser.

Neben der Mahnung, auf Fleisch zu verzichten, propagieren die ernährungspolitisch Verantwortlichen 1938 wie schon in den Vorjahren den Verzehr von Fisch und die Hinwendung zu Milchprodukten, Kartoffeln, Brot, Gemüse und Mehlspeisen, was angesichts der Preisgestaltung bei der Bevölkerung auf offene Ohren stößt.

In den Zeitungen, Zeitschriften und Kochbüchern finden sich zahlreiche Hinweise für die Verwertung von Speiseresten. Es gilt als volkswirtschaftliche Pflicht, auch die geringste Menge von Nahrungsmitteln noch zu verwerten.

Für die Aufbewahrung der Reste gelten u. a. folgende Regeln: Gekochte Kartoffeln gehören nach dem Abkühlen in den Eisschrank; gekochte Teigwaren sind mit einem feuchten Tuch zu bedecken; Suppen sollen in gut emailliertem Geschirr aufbewahrt werden und gekochtes Gemüse hält sich am besten, wenn es auf flachem Geschirr ausgebreitet und mit gelochtem Butter- oder Ölpapier bedeckt und nach dem Erkalten in den Eisschrank gelegt wird.

Auch Fette und Soßen sollten, so die Winke für die Hausfrau, nicht einfach weggeworfen werden: So eignet sich Bratenfett noch für Kohlgemüse oder als Brotaufstrich für Kinder und Erwachsene, gebrauchtes Backfett lässt sich noch bis zu dreimal verwenden, kalte Meerrettichsoße ergibt mit Äpfeln und Sahne vermengt eine gute Rindfleischbeilage.

Der Zwang zu Sparsamkeit und der Wunsch nach Unabhängigkeit von ausländischen Einfuhren macht sich auch beim Wein bemerkbar: Am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg im Breisgau werden 1938 zwei sog. Deckrotweine gezüchtet, mit dem Namen Deckrot und Kolor. Dabei handelt es sich nicht um Weine im traditionellen Sinn: Sie sollen die dunkelroten spanischen Weine ersetzen, die dem oft hellfarbigen deutschen Portugieser und Blauen Spätburgunder die kräftige Farbe geben. Der Zusatz von etwa 5% Deckrot ist meist ausreichend, um den deutschen Rotwein neben der ausländischen Konkurrenz bestehen zu lassen.

Chroniknet