Verkehr 1946:
Das deutsche Eisenbahnnetz war bei Kriegsende in einem äußerst desolaten Zustand. Die meisten Tunnels und Brücken hatte die deutsche Wehrmacht noch in den letzten Kriegstagen gesprengt. Rund ein Drittel der Lokomotiven und Waggons war unbrauchbar. Ein ähnlich trostloses Bild boten das Straßennetz und die Wasserwege. Eingestürzte Brücken und Schiffswracks blockierten die meisten Flüsse und Kanäle. Es gab in Deutschland kaum eine Fernverkehrsstraße, die nicht durch Bombentrichter oder ausgebrannte Fahrzeuge für den Verkehr unbrauchbar geworden war.
Mitte des Jahres 1946 ist das deutsche Eisenbahnnetz weitgehend wiederhergestellt. Trotz der beachtlichen Wiederaufbauleistung bleibt das Rückgrat des deutschen Verkehrswesens jedoch vollkommen überlastet. Zwar ist es gelungen, die meisten Fernverkehrsstrecken wieder durchgängig befahrbar zu machen, aber es fehlt nach wie vor an rollendem Material. Von 7692 Lokomotiven sind im April 1946 2720 noch immer nicht einsatzfähig. Von rund 13 400 Reisezugwagen sind fast 6000 zerstört. Von den einst über 150 000 Güterwaggons der Deutschen Reichsbahn sind auch ein Jahr nach Kriegsende noch über 88 000 wegen schwerer Schäden abgestellt.
Zu diesen Materialproblemen kommt hinzu, dass die Deutsche Reichsbahn stark von alliierten Reparationsmaßnahmen betroffen ist. So hat beispielsweise die sowjetische Besatzungsmacht damit begonnen, von allen Hauptstrecken in ihrer Zone das zweite Gleis zu demontieren. Ende März 1946 ordnet sie darüber hinaus an, auch die Oberleitungen der elektrifizierten Strecken als Reparationsleistung an die UdSSR abzuliefern. Auch die französische Besatzungsmacht hat in ihrer Zone vielerorts die Demontage des zweiten Gleises verfügt. Unter diesen Bedingungen ist die Eisenbahn kaum imstande, das trotz alledem starke Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Die wenigen verkehrenden Personenzüge sind hoffnungslos überfüllt; viele Reisende finden häufig nur noch auf Trittbrettern, Puffern oder Dächern der Waggons Platz.
Wer sich im Jahre 1946 dazu entschließt, eine längere Eisenbahnreise zu unternehmen, muss sich auf lange Fahrzeiten einstellen. Zwar hat die Reichsbahn wieder einige durchgehende Schnellzugverbindungen eingerichtet, die Züge benötigen jedoch nicht selten doppelt so viel Zeit wie vor dem Krieg. So ist beispielsweise der D-Zug von Hannover nach Dortmund auf der 209 km langen Strecke drei Stunden und 49 Minuten unterwegs. Von Dortmund nach Frankfurt am Main beträgt die Fahrzeit acht Stunden und 31 Minuten.
Als gegen Jahresende 1946 über Deutschland eine Kältewelle hereinbricht, in deren Verlauf die meisten Flüsse zufrieren, muss die Eisenbahn in erheblichem Umfang zusätzliche Transportleistungen übernehmen. Dies führt binnen Kurzem zu einem Verkehrskollaps. Im Gegensatz zur Eisenbahn spielt der Autoverkehr in den Besatzungszonen nur eine untergeordnete Rolle. Zwar produziert die deutsche Kraftfahrzeugindustrie in den ersten acht Monaten des Jahres über 14 000 Fahrzeuge, jedoch geht der größte Teil der Produktion an die Besatzungsmächte oder in den Export. Auf Deutschlands Straßen bewegen sich nur wenige und zumeist altersschwache Fahrzeuge. Infolge des Treibstoffmangels sind viele Autobesitzer dazu übergegangen, ihre Wagen mit Holzvergasern auszurüsten. Alle 20 bis 30 km müssen sie allerdings die Fahrt unterbrechen, um Brennholz für den Motor nachzulegen.
Während die Binnenschifffahrt in diesem Jahr ihren Betrieb wieder aufnehmen kann, müssen die Reste der deutschen Handelsflotte an die alliierten Siegermächte übergeben werden. Von dieser Maßnahme ist Schiffsraum von mehr als 1,1 Millionen Bruttoregistertonnen (BRT) betroffen. In deutscher Hand verbleiben lediglich Schiffe bis zu 2250 BRT. Anstelle des Hoheitszeichens müssen sie die internationale Signalflagge setzen.