Deutsche Berge und Balkonien

Urlaub und Freizeit 1951:

Die Ferienreise gehört neben dem Erwerb von »Schlüsselgütern« wie Fernseher, moderne Wohnungseinrichtung, Motorrad und Pkw zu den begehrtesten Statussymbolen einer deutschen Nachkriegsgesellschaft, die der Sicherung der elementaren Lebensbedürfnisse gerade entwachsen ist.

Dabei reguliert die Größe des Geldbeutels die Reiselust der Deutschen: Nach einer Umfrage des Bielefelder Instituts für Markt- und Meinungsforschung EMNID, die kurz vor der Hauptreisezeit statt findet, geben 40% der Bundesbürger an, eine Urlaubsreise zu planen oder bereits durchgeführt zu haben. Die Mehrheit der Bundesbürger verbringt ihre freien Tage allerdings nach wie vor am Wohnort bzw. »auf Balkonien«.

Beamte und Freiberufler sind mit 71% am häufigsten auf Reisen, gefolgt von Angestellten mit 58%. Rund ein Fünftel der Urlauber sucht Erholung in der näheren Umgebung des Wohnortes. Darüber hinaus stehen vor allem die deutschen Urlaubsgebiete hoch im Kurs der Freizeitfans:

17% bevorzugen Bayern und die Alpen, gefolgt vom Rheinland mit 12% und dem Bodensee sowie der Nordsee mit 11%. 8% geben die Mittelgebirge und 4% die Ostsee als Reiseziel an.

Chaotisch ist die Situation zum Ferienbeginn auf den Bahnhöfen: »Der Andrang der Ferienreisenden war so groß, dass die Züge regelrecht gestürmt und die Fenster zum Einsteigen benutzt wurden. Der Kampf um die Plätze nahm verschiedentlich rohe Formen an, so dass es zu Raufereien und zu Weinszenen kam…«, schreibt die »Süddeutsche Zeitung« vom 2. August.

Die touristische Anziehungskraft vor allem Bayerns nimmt ständig zu: Der Kurort Reit im Winkl registriert im Mai 1951 2462 Übernachtungen. Im Mai 1952 lag die Übernachtungszahl bei 1266.

Die keineswegs blendende wirtschaftliche Lage hindert die Bundesbürger an einem Urlaub in fremden Ländern. Lediglich 5% der Erholungssuchenden begeben sich als Touristen in ferne Länder.

Chroniknet