Arbeit und Soziales 1951:
Arbeitslosigkeit und Integration der Vertriebenen in das Erwerbsleben sind trotz beginnender Besserung der wirtschaftlichen Lage zentrale Probleme der Bundesrepublik. Den Aufschwung in Industrie und Handel begleitet die Bundesregierung mit gesetzgeberischen Maßnahmen in der Arbeits- und Sozialpolitik.
Dass Mitte 1951 rund 1,7% weniger Arbeitnehmer erwerbslos sind als am 30. Juni des Vorjahres, ist ein Indiz für die Verbesserung der ökonomischen Grundbedingungen in der Bundesrepublik. Die Vertriebenen und Flüchtlinge bleiben besonders hart von der Arbeitslosigkeit betroffen: 428 272 (32,3%) von ihnen werden am 30. Juni als Erwerbslose registriert.
Obwohl für viele Menschen die wirtschaftliche und soziale Lage immer noch unbefriedigend ist, macht sich ein bescheidener Wohlstand breit. Geldinstitute verzeichnen zum Jahresende einen deutlichen Trend zum Sparen. Der Anteil der Personen, die von der öffentlichen Fürsorge unterstützt werden müssen, geht 1951 deutlich zurück (siehe Grafik). Ungebrochen ist das Engagement des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Die Plakate und Anschläge des DRK-Kindersuchdienstes haben geholfen, 60 000 Mädchen und Jungen an ihre Eltern zu vermitteln. Darüber hinaus hat auf dem Gebiet der freien Wohlfahrtspflege sechs Jahre nach Kriegsende die Arbeit von Hilfsorganisationen wie CARE und UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, immer noch erhebliche Bedeutung. Neben der Suche nach vermissten Kindern führt das DRK Karteien über Kriegsgefangene und vermisste Soldaten.
Einen herausragenden Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung des Landes leisten die Frauen in der Bundesrepublik. »Die Aussicht, durch Arbeit aus der eigenen Not herauszukommen, trieb Frauen in wachsendem Umfang wieder auf den Arbeitsmarkt«, schreibt Elisabeth Weichmann über die Rolle der Frau in der Nachkriegs-Wirtschaft. Der Trend, dass Frauen als Arbeitskräfte die Wirtschaft unterstützen, ist 1951 ungebrochen: Rund 31% der Beschäftigten sind Frauen. Sie arbeiten in sämtlichen Bereichen von Industrie, Handel und Gewerbe.
Grundlegende Errungenschaften wie die Montanmitbestimmung (<!– 10.4.1951–>), wirtschaftspolitische Entscheidungen wie die Verabschiedung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung (<!– 14.11.1951–>) und neue Gesetze des Bundes machen 1951 zu einem Jahr des Umbruchs in der Arbeitswelt.
Mit Wirkung vom 1. April wird zum Schutz der Arbeitnehmer gegen Betriebs- und Berufsgefahren das »Bundesinstitut für Arbeitsschutz« eingerichtet. Es tritt die Nachfolge der ehemaligen »Reichsstelle für Arbeitsschutz« an. Das Institut untersteht dem Bundesarbeitsminister, der auch auf anderen Gebieten initiativ wird: Mit Wirkung vom 1. Juni werden die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten sowie der Bergleute um 25% erhöht. Gesetzliche Basis ist das Rentenzulagengesetz vom 10. August 1951. Am gleichen Tag wird das »Gesetz über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln« verabschiedet. Danach erhalten Rentner mit geringem Einkommen für sich und »zuschussberechtigte« Familienmitglieder pro Monat und Person 3 DM Teuerungszulage.
Eine weitere sozialpolitische Weichenstellung gelingt der Bundesregierung mit der Verabschiedung des Kündigungsschutzgesetzes vom 10. August (<!– 10.7.1951–>).
Die Rechtssicherheit für Arbeitnehmer in den Betrieben der Bundesrepublik wächst nicht nur durch Maßnahmen des Gesetzgebers, sondern auch durch Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Arbeitern: Vom 1. November 1950 bis zum 1. September 1951 werden 3017 Tarifverträge abgeschlossen, allein 1613 in Industrie und Handwerk.
Schutz am Arbeitsplatz soll die am 1. September 1951 erlassene »Verordnung zum Schutze gegen Staublungenerkrankungen (Silikose) in der keramischen Industrie« für die Arbeitnehmer bringen: Sie enthält u.a. Vorschriften zur Einrichtung von Arbeits- und Sozialräumen, Bestimmungen über die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeitnehmer bei besonders gefährlichen Arbeiten und über regelmäßige ärztliche Untersuchungen.
Mit dem Aufbau einer Institution zur Bewältigung der Arbeitsvermittlung schafft die Bundesregierung organisatorische Strukturen: Nach heftigen Diskussionen um den geeigneten Standort – Koblenz und Nürnberg standen zur Wahl – wird mit Gesetz vom 29. November 1951 die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg eingerichtet.
»Aufgabe der Bundesanstalt ist es, die Arbeitsmarktpolitik, insbesondere die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Arbeitsvermittlung und den Arbeitskräfteausgleich zu vereinheitlichen, die Berufsberatung nach einheitlichen Gesichtspunkten innerhalb des Bundesgebietes durchzuführen…«, umreißt das Bundesministerium für Arbeit die Aufgaben der neuen Behörde.
Unter Mitwirkung der Gewerkschaften wird 1951 der »Verband für Arbeitsstudien REFA e.V.« mit Sitz in Darmstadt gegründet. Die gemeinnützige Nachfolgeorganisation des 1924 gegründeten »Reichsausschusses für Arbeitszeitermittlung« (REFA) erforscht Möglichkeiten der Rationalisierung und Humanisierung in sämtlichen Wirtschaftszweigen.