Arbeit und Soziales 1958:
Trotz eines konjunkturellen Rückgangs, der von den Vereinigten Staaten ausgehend auch andere westliche Staaten erfasst, ist das Jahr 1958 für die Arbeitgeber in der Bundesrepublik von einer weiteren Konsolidierung des Arbeitsmarktes geprägt. Im Jahresdurchschnitt sind 1,7% der Erwerbstätigen arbeitslos; im Vorjahr waren es noch 1,9%, 1950 sogar 8,2%.
Im Jahresdurchschnitt gibt es in der Bundesrepublik Deutschland 25,5 Millionen Erwerbstätige, davon sind 62,7% männlich. Von den abhängig Beschäftigten – ihr Anteil liegt insgesamt bei 76% – sind 7% Beamte, 27,3% Angestellte und 65,7% Arbeiter.
Das Lohnniveau ist seit 1950 beträchtlich gestiegen. So hat ein Industriearbeiter 1958 einen durchschnittlichen Bruttowochenverdienst von 115,23 DM, während er 1950 nur 67,65 DM pro Woche verdiente. Demgegenüber schneiden die Frauen weit schlechter ab: Zwar haben sie seit 1950 (40,01 DM durchschnittlicher Wochenverdienst) erheblich zugelegt, jedoch haben sie 1958 mit einem Durchschnittswochenlohn von 68,33 DM gerade das Niveau ihrer männlichen Kollegen vom Beginn des Jahrzehnts erreicht.
Obwohl die Gewerkschaften schon 1956 die 40-Stunden-Woche zum Tarifziel erklärt haben, liegt die durchschnittliche Arbeitszeit 1958 in der Industrie bei 45,7 Stunden wöchentlich (1950: 48 Wochenstunden). Ebenso arbeiten weit mehr als die Hälfte der bundesdeutschen Arbeitnehmer mehr als fünf Tage pro Woche. Nachdem in einigen Industriezweigen jedoch die 45-Stunden-Woche schon tariflich verankert ist, wird 1958 auch der Öffentliche Dienst mit in die Arbeitszeitverkürzung einbezogen. Zugleich kommt aber auch eine Diskussion darüber auf, ob die Arbeitszeit nicht verlängert werden sollte, um erreichte wirtschaftliche Ziele nicht zu gefährden. Wichtiges Thema des Arbeitsjahres 1958 ist die Automation am Arbeitsplatz, die verstärkt bei Verwaltungsarbeiten, aber auch in der Industrieproduktion eingesetzt wird. Neben technischen Problemen – es mangelt z. B. noch an Fachleuten zur Wartung und Steuerung der elektronischen Großrechenanlagen – werden vor allem wirtschaftliche und soziale Aspekte der vielfach so bezeichneten »zweiten industriellen Revolution« diskutiert.
Es wird angenommen, dass die Automation sowohl in den Unternehmen und der Arbeit selbst, als auch in der gesamten Wirtschaft aufwendige Umstrukturierungen zur Folge haben wird. Da zur Einführung der Rechenanlagen erhebliche Finanzmittel erforderlich sind, muss davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftliche Konzentration zunehmen wird und immer mehr kleinere aber auch mittlere Unternehmen mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten können. Der Faktor Arbeit wird bei Einführung der Automation durch den Faktor Kapital weitgehend ersetzt.
Da viele mechanische Arbeiten, die jetzt noch von Menschen durchgeführt werden, bei einer voll- oder teilautomatischen Herstellung von Maschinen gemacht werden können, wird befürchtet, dass die Maschine den Arbeiter ersetzen werde, was in Zeiten einer schwächeren Konjunktur zu hoher Arbeitslosigkeit führen würde. In den Vereinigten Staaten ist eine derartige Entwicklung bereits eingetreten. Hier kann die Nachfrage der privaten Konsumenten nicht mit dem dank automatischer Produktionsweisen beträchtlich gewachsenen Angebot mithalten. Entlassungen sind in vielen Firmen die Folge der fehlenden Umsätze. Im Juni erreicht die Zahl der Arbeitslosen in den USA mit 5,4 Millionen den höchsten Stand seit 17 Jahren.
Nach Berechnungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung sind in der Bundesrepublik von 1950 bis 1958 jährlich rund 6% der Beschäftigten durch Einführung von Automation freigesetzt worden; dies entspricht einer Gesamtzahl von rund 1,5 Millionen Menschen. Dank des erheblichen Wirtschaftswachstums konnten diese Arbeitnehmer für andere Tätigkeiten (z. B. Maschinenüberwachung und -wartung) bzw. in anderen Wirtschaftsbereichen eingesetzt werden. Dies kann – so meinen die Befürworter der Automatisierung – eine qualitative Verbesserung des Arbeitsplatzes und eine Aufwertung im sozialen Status bedeuten.
Zugleich bewirkt die Automatisierung auch einen Wandel bei den Produkten selbst: Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen die Herstellungsanlagen auf eine Ausweitung der Massenproduktion bei weitgehender Standardisierung und Typisierung der Erzeugnisse angelegt sein. Dies hat z. T. einen bewussten Qualitätsverlust zur Folge, weil der für den Massenabsatz erforderliche Markt auch durch den schnelleren Verschleiß der Produkte geschaffen wird. Damit einher gehen niedrigere Preise für den Endverbraucher, so dass sich für ihn eher die Neuanschaffung als die Pflege und Reparatur lohnt.
Von Kritikern wird ins Feld geführt, dass die Qualitätsminderung bei technischen Erzeugnissen leicht auf Kosten der Sicherheit gehen kann. Zudem werde durch die gewollte Wegwerfmentalität das Abfallproblem beträchtlich verschärft.
In jedem Fall gelte es, ein Gleichgewicht zwischen der kontinuierlich wachsenden Produktivität und der Nachfrage zu schaffen und langfristig aufrechtzuerhalten.