Viele Motorradfahrer steigen auf Pkw um

Auto und Verkehr 1958:

Nach einem an Prototypen neuer Automobile reichen Jahr 1957 hat die Branche 1958 relativ wenig Neues zu bieten. Die Produzenten der Mittelklassewagen beschränken sich darauf, Varianten ihrer bewährten Modelle auf den Markt zu bringen; mehrere Kleinwagenhersteller haben ihre Prototypen nun so weit entwickelt, dass sie in Serie gebaut werden können.

Bezeichnend für die Situation auf dem Kraftfahrzeugmarkt ist der Versuch einiger Motorradhersteller, in die Automobilproduktion einzusteigen. Die Zulassungszahlen für die Krafträder, die zu Beginn der 50er Jahre noch das motorisierte Verkehrsmittel schlechthin darstellten, gehen immer mehr zurück. Stattdessen bevorzugen viele Bundesbürger einen Kleinwagen, der mehr Komfort bietet und dennoch in Anschaffung und Unterhalt kaum teurer kommt als ein zweirädriger motorisierter Untersatz.

So gelingt der Neckarsulmer Motorradfabrik mit dem NSU »Prinz«, der ab 1958 serienmäßig produziert wird, der erfolgreiche Einstieg ins Kleinwagengeschäft. Ausgestattet mit einem doppelten Motorradmotor, der allerdings ein verhältnismäßig lautes Fahrgeräusch verursacht, bringt es der NSU »Prinz« mit 20 PS auf eine Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h.

Nicht durchsetzen kann sich dagegen der Motorradproduzent Zündapp mit dem seit 1957 gebauten Kleinwagen »Janus 250«. Die außergewöhnliche Konstruktion mit Front- und Heckeinstieg, in der Fahrer und Mitfahrer Rücken an Rücken sitzen, hat nur wenige Abnehmer gefunden; die Herstellung des »Janus« wird deshalb im Oktober 1958 wieder eingestellt.

Einen Verlust von drei Millionen DM muss der Zweiradhersteller Victoria für seinen Ausflug ins Automobilgeschäft hinnehmen. Der seit 1955 produzierte »Spatz«, ein Kleinwagen mit Kunststoffkarosserie, wird nur etwa 1500 Mal verkauft; Victoria zieht sich daraufhin 1958 wieder aus der Kleinwagenbranche zurück und schließt sich mit den Unternehmen DKW und Express zur Zweiradunion zusammen, um den weiteren Bestand der Firmen zu garantieren.

Seine Marktpräsenz ausbauen kann 1958 das Regensburger Messerschmitt-Werk, das 1958 mit der Variante »Tiger« seines Kabinenrollers herauskommt. Mit einem 500-cm3-Motor und einer Leistung von 19 PS ist der »Tiger« fast doppelt so stark wie seine Vorgängermodelle und bringt es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h. Wie bei allen Kabinenrollern erfolgt auch beim »Tiger« der Einstieg von oben – durch das aufklappbare Dach.

Bei den Mittelklassewagen bringt Opel in Rüsselsheim eine weiter verbesserte Variante seines »Kapitän« heraus; der Sechszylinderwagen gilt schon seit seiner Einführung im Jahr 1948 als preisgünstigstes und wirtschaftlichstes Modell seiner Klasse in der Bundesrepublik.

Auch Daimler-Benz bietet seine Wagen 1958 z. T. mit leichten Veränderungen an. Der Typ Mercedes-Benz 190, im September 1953 als ganz neues Modell der Öffentlichkeit präsentiert, erhält nun Ausstellfenster in den Vordertüren und wird außerdem auch mit Dieselmotor angeboten. Das aufwendigere und mit 12 500 DM gegenüber dem 190 um rund 3000 DM teurere Modell Mercedes-Benz 220 bekommt im Jahr 1958 eine SE-Variante, die über einen stärkeren Motor als die Grundversion und Benzineinspritzung verfügt.

Unangefochtener Spitzenreiter unter den bundesdeutschen Automobilherstellern ist aber auch 1958 das Wolfsburger Volkswagenwerk, das neben verschiedenen »Käfer«-Typen seit 1955 auch den sportlichen Karmann-Ghia anbietet. Dieses 1955 auf den Markt gekommene Modell ist mit einem Preis von 7500 DM für das Coupé bzw. 8250 DM für das 1957 herausgekommene Cabriolet etwa doppelt so teuer wie der Standard-»Käfer«, der wie schon 1955 für 3790 DM zu haben ist. VW expandiert 1958 mit seiner Produktion nach Kassel, wo nun Aggregate aufbereitet werden.

Chroniknet