Verkehr 1959:
Die Verkehrspolitik der Bundesregierung konzentriert sich angesichts der steigenden Zahl von Kraftfahrzeugen auf den Ausbau des Straßennetzes. Regionen wie das Saarland warten auf ihre Anbindung an das Fernstraßennetz, und zahlreiche Routen in Nord-Süd-Richtung sind noch nicht durchgehend als Autobahnen ausgelegt. So gibt es bisher keine ununterbrochene Autobahnverbindung von Hamburg über Hannover nach Frankfurt am Main und weiter nach Basel oder von Bremen ins Ruhrgebiet. Diese Verbindungen sollen bis 1963 fertiggestellt werden, wodurch das Autobahnnetz von 2500 km auf 3000 km erweitert wird.
Einer der Gründe für die Überlastung der Fernstraßen ist die zunehmende Verlagerung von Gütertransporten von der Schiene auf die Straße und die Zunahme des Individualverkehrs. Der Bestand an Personenkraftwagen wächst jährlich um etwa eine halbe Million. 1959 sind rund 3,3 Millionen Pkw angemeldet gegenüber 2,8 Millionen im Vorjahr und 2,3 Millionen 1957. Die Anzahl der zugelassenen Motorräder geht leicht zurück und beträgt knapp 2 Millionen. Bei dem derzeitigen Stand der Motorisierung kommen in der Bundesrepublik auf 1000 Einwohner 47 Pkw. Gegenüber Schweden mit 112 Autos und Großbritannien mit 85 Autos je 1000 Einwohner liegt die Bundesrepublik damit weit zurück.
Angaben über die Verkehrsdichte in den Großstädten ergeben jedoch ein anderes Bild. In Hamburg kommen auf 1000 Einwohner 114 Kraftfahrzeuge. Um hier die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten, ist die City zu bestimmten Tageszeiten für Lkw über 6 t, teilweise sogar für kleinere Lkw (über 2,5 t) gesperrt. Parkuhren, Halteverbote und »Ladezonen« sollen die Dauerparker aus der Innenstadt verdrängen. Der Versuch, mit kleinen »City-Bussen« eine Art Autoersatz zu schaffen, findet bei den Autofahrern keinen Anklang; auf den eigenen fahrbaren Untersatz will kaum jemand verzichten. In Vorbereitung ist ein »Park and ride«-System: In drei Ringen um den Stadtkern werden Parkplätze an U- und S-Bahnen angelegt. Durch rigorose Beschränkung der Parkmöglichkeiten in der Hamburger Innenstadt sollen Autofahrer zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel bewegt werden. Die Sperrung einzelner Ladenstraßen wird nicht erwogen, ebenso wenig wie in Frankfurt am Main, der Stadt mit der höchsten Verkehrsdichte. In der Bankenmetropole kommen auf 1000 Einwohner 152,8 Kraftfahrzeuge. Hier soll durch den Ausbau des U-Bahn-Netzes der Verkehr entlastet werden. Auch die Innenstadt von Hannover bleibt für Autos weiterhin zugänglich, da durch die in den letzten Jahren erfolgte Anlage großzügiger Umgehungsstraßen 90% des Durchgangsverkehrs von der City ferngehalten wird.
Mit dem Zuwachs an Kraftfahrzeugen steigen auch die Unfallzahlen. 1959 werden 314 653 Unfälle mit Personenschaden registriert, bei denen 13 539 Verkehrsteilnehmer getötet und 404 254 verletzt werden. Die Zahl der Getöteten steigt somit im Vergleich zu 1958 um 12%. Forderungen nach Einführung eines Tempolimits außerhalb geschlossener Ortschaften lehnt das Bundesverkehrsministerium jedoch ab, da sich die Autofahrer weitgehend diszipliniert verhielten. So sei an einem Wochenende durch Messungen auf der Autobahn Frankfurt am Main-Mannheim eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 70 km/h ermittelt worden.
Während die Bundesbahn einen weiteren Umsatzrückgang bei der Personenbeförderung hinnehmen muss, befinden sich die Fluggesellschaften im Aufwind. Über 4,6 Millionen Passagiere werden auf den bundesdeutschen Flughäfen abgefertigt, das sind über 600 000 Personen mehr als im Vorjahr.