Gesundheitskost auf den Speisekarten

Ernährung, Essen und Trinken 1960:

Nach der »Fresswelle« in den 50er Jahren steht für die Bundesbürger zu Beginn des neuen Jahrzehnts eine zunehmend gesundheitsbewusste Ernährungsweise im Vordergrund. Eine Meinungsumfrage der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung bereit sind, ihre Essgewohnheiten zu ändern.

Die bedenkliche Zunahme ernährungsbedingter Wohlstandskrankheiten, wie Magen- und Herz-Kreislauf-Störungen, hat das Bewusstsein für einen maßvollen Speisezettel geschärft. Vitaminreiche Kost mit viel Obst und Gemüse soll darüber hinaus auch der »schlanken Linie« zugutekommen. Der, auch wohlstandsbedingte, jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Südfrüchten ist seit 1956/57 von 13,6 kg auf 21,4 kg (1959/60) angestiegen, während der Verzehr von Kartoffeln von 152,0 kg auf 133,0 kg zurückgegangen ist. Zeitsparende Verarbeitungsmöglichkeiten, aber auch der hohe Grad an Nährwert, lassen tiefgefrorene Lebensmittel immer beliebter werden. Waren noch 1956 nur 5000 Geschäfte mit einer Tiefkühltruhe ausgestattet, so sind es 1960 schon sechsmal so viele. Besonders in ländlichen Haushalten setzt sich das Einfrieren durch.

Am 24. Dezember tritt eine bedeutsame Änderung des Lebensmittelgesetzes in Kraft. Nahrungsmittelhersteller müssen ihre Produkte künftig mit Schildern kennzeichnen, die Auskunft über die enthaltenen Fremdstoffe geben. Auch die Anzahl der zugelassenen Farb- und Konservierungsstoffe wird erheblich reduziert. Die Kennzeichnungspflicht bedeutet für Restaurants und Gaststätten, dass die Speisekarten jetzt mit »Fußnoten« versehen werden müssen (z. B. 1 = Sorbinsäure, 4 = Ameisensäure).

Eine Schattenseite der bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft ist die dramatische Zunahme des Alkoholismus in der Bevölkerung. Gegenüber 1956 stieg die Zahl der Abhängigen um 40% auf rund zwei Millionen Menschen an. »Der Spiegel« widmet dem Problem im Oktober eine Titelgeschichte.

Chroniknet