Mode 1960:
Der neue Frauentyp kommt aus Paris, ist dunkelhaarig und blass mit stark geschminkten Augen. Schwarzer Lidstrich, mit feinem Pinsel und »eye-liner« aufgetragen, kräftige Wimperntusche sowie breite Augenbrauen verleihen den Frauen »ebenso interessante Katzenaugen wie sanfte Mandelaugen«. Die Frau hat die Möglichkeit, zwischen zwei konträren Modelinien ihren Stil zu finden: Die Karrierefrau wählt figurnahe, kragenlose Etuikleider, die seitlich leicht geschützt, vorne asymmetrisch geschlossen und mit talergroßen Knöpfen aufgeputzt sind. Dazu trägt sie eine gerade, hüftlange Jacke oder einen Jumper mit kleinen Seitenschlitzen, deren Kanten und Saum mit Satinband eingefasst sind. Diese Ensembles sind aus Tweed, Jersey oder Mohair in braunen, anthrazitgrauen oder Eierschalen-Tönen, eventuell mit Glencheck- oder Pepita-Muster.
Die elegante Dame trägt am Nachmittag oder frühen Abend ein Kleid mit Tulpenrock (nach der Form einer umgekehrten Tulpe) oder mit dem etwas schmaleren Tropfenrock. Vielfach werden diese ausgefallenen Rocklinien als Doppelrock, das heißt über einem engen Rock, gearbeitet. Die Kleider sind aus Seide und mit großen abstrakten oder floralen Imprimés gemustert. Gerade kniebedeckend ist die verbindliche Länge.
Zu keinem dieser Modelle darf eine mehrreihige Perlenkette mit in der Mitte größeren Perlen und einer Schmuckschnalle fehlen. Ersatzweise wird eine lange, mehrmals um den Hals geschlungene Kette mit abwechselnd Barockperlen und Stiften getragen. Bei beiden Frauentypen gleichermaßen gefragt ist das Chanel-Kostüm, das von vielen Schneiderinnen, ganz im Sinne der Erfinderin, kopiert wird. Betont jugendlich wirken Hemdblusenkleider mit Petticoatrock und großem Dachkragen. Von Yves Saint Laurent lanciert und sehr en vogue ist Gestricktes: Grobe Strickkleider und hüftlange, anliegende Pullover mit breitem, halsfernem Rollkragen. Breite Strickkragen ergänzen auch Kleider oder Kostüme aus Wollstoff.
Das modische i-Tüpfelchen dieses Jahres sind die großen Dach- und Musketierkragen. Sie sind zu Sommerkleidern, wo sie die Schultern der ärmellosen Kleider bedecken, ebenso wie zu Wintermänteln aktuell. Bei letzteren werden sie am Hals gefältelt und wirken pelerinenartig. Die Ärmel sind dreiviertellang und tief eingesetzt.
Die neuen Abendkleider – die bezauberndsten kreiert Nina Ricci – wirken sehr progressiv, vorne kniekurz und hinten oder auch auf einer Seite lang. Das Oberteil ist meist als Corsage gearbeitet oder hat breite Träger. Die Kleider sind mit Schleifen übersät. »Schleifen vorn und hinten sollen ersetzen, was an Kurven gestrichen ist«, schreibt die Zeitschrift »burda Moden«.
Bei den Hüten sind halbkugelförmige Toquen, die auf dem Hinterkopf sitzen, aktuell. Sie sind aus Samt oder Pelz und »verbeult wie Autos aus dritter Hand«. Die Frisuren wirken sehr kunstvoll, »kein Haar tanzt dank des starken Haarlacks aus der Reihe«. Die Haare sind glatt und halblang und zu einer Außenrolle gedreht. Bei kürzerem Haar darf der Sechser über dem Ohr nicht fehlen. Längeres Haar ist auf dem Oberkopf zu einem »Nest« gewickelt. Modisch unübertroffen aber ist die Farah-Diba-Frisur, »die in diesem Jahr an Höhe zunimmt«. Für die Freizeit, zum Camping, Rollerfahren oder als Fernsehanzug sind Hosen wichtig, meist in einer knöchellangen Keilhosenform. Dazu wird eine gemusterte Popelinebluse oder eine Hänger-Jacke getragen.
Bei der Bademode wird dem eleganten Einteiler mit Corsagen-Oberteil der Vorrang gegeben. Ein Halbröckchen verbirgt den Zwickel. Bikinis tragen nur Teenager, und auch hier ist das Oberteil durch Metallbügel und Schaumgummi-Einlage abgesteift. Auf keinen Fall darf die Strandjacke fehlen.
In diesem Jahr liegen für den Herren keine wesentlichen modischen Änderungen vor. Lediglich in der Freizeit- und Hobby-Mode sieht man auffallende, breit gestreifte Anzüge aus Merinowolle oder Homespun mit loser, relativ kurzer Jacke und kleinem Ausschnitt.