Mit Komfort und sportlicher Note zu neuem Verkaufsrekord

Auto und Verkehr 1968:

Nach dem gravierenden Absatzrückgang im Vorjahr erzielt die bundesdeutsche Automobilindustrie ihr bisher bestes Produktionsergebnis. Der Export nimmt um etwa 31% zu. Weltweit werden 21,8 Millionen Autos hergestellt. Bei den Neuwagen geht der Trend immer stärker zu sportlichen Fahrzeugen, die auch für ein Massenpublikum preislich erschwinglich sind.

Infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise des Vorjahres wurden 1967 nur 18,4 Millionen Personenkraftwagen und Kombis produziert. 1968 steigert dagegen allein die Bundesrepublik ihren Fahrzeugausstoß um etwa 560 000 auf 2 862 186 Personenwagen. Das ist ein Zuwachs um 24,7%.

Der größte Hersteller in der Bundesrepublik bleibt das Volkswagenwerk mit 1,45 Millionen Autos und einem Anteil von 50,6% an der bundesdeutschen Jahresproduktion. Es folgen Opel (648 000, 22,6%), Daimler-Benz (216 284, 7,5%), Ford (207 763, 7,2%), NSU (127 530, 4,4%) und BMW (101 098, 3,5%). Wegen der unterschiedlichen Exportanteile nimmt beim Verkauf in der Bundesrepublik Ford den zweiten Platz vor Opel ein. VW führt auch hier unangefochten. Während das Volkswagenwerk den gleichen Marktanteil wie 1967 behauptet, gewinnt Ford 3,5% hinzu. Opel verliert dagegen 1,2% und büßt deshalb den zweiten Platz in der Verkaufsstatistik ein.

Bei den Neuentwicklungen und Modellveränderungen die Konstrukteure vor allem auf die sportliche Note und den Komfort. Der Volkswagen-Konzern, mit über zehn Milliarden DM Umsatz das größte Industrieunternehmen der Bundesrepublik, stellt im Juli den VW 411 der Öffentlichkeit vor. Die Schräghecklimousine ist die völlige Neukonstruktion der Automobilbauer aus Wolfsburg nach dem legendären »Käfer«, von dem bisher elf Millionen Stück produziert wurden. Die erstmals bei VW verwandte selbsttragende Karosserie, die den Fahrgästen im Innenraum viel Platz bietet, eine moderne Federung, verstellbare Einzelsitze und Breitbandscheinwerfer lassen das 7770 DM teure Modell im Volksmund zum »Volks-Royce-Komfort« werden.

Ein sportlich-jugendliches Image versucht sich die Rüsselsheimer Adam Opel AG mit ihrem neuen GT zu geben. Der Preis von 11 880 DM für die 1,9-l-Version macht den durch seine schnittige Form auffallenden Sportwagen auch für breitete Käuferschichten erschwinglich. Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 11,5 sec erzielt dieses relativ preisgünstige Modell sogar einen besseren Wert als zum Beispiel der Porsche 912. Die vorwiegend jugendlichen Fahrer fühlen sich in der mit zahlreichen zusätzlichen Instrumenten ausgestatteten Fahrerkabine wie Piloten im Cockpit. Auch versenkbare Scheinwerfer (»Schlafaugen«), wie sie bisher nur in Rennautos üblich waren, ein Dreispeichenlenkrad, Schalensitze und eine Spitzengeschwindigkeit von 185 km/h heben das Prestige.

Den Opel GT, dessen Prototyp schon 1965 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main als Experimentierfahrzeug vorgestellt wurde, benutzen die Händler in ihren Verkaufsstellen als Blickfang. Sie hoffen, damit auch ihre übrigen Modelle besser verkaufen zu können, von denen bisher jedoch nur der Rallye-Kadett sportlichen Ansprüchen genügt.

Seit Mitte der 60er Jahre der Ford Mustang in den USA zu einem großen Verkaufserfolg wurde, arbeiten immer mehr Autofirmen an der Entwicklung von Mittelklasse-Sportwagen. Als bundesdeutsche Version des Mustang kommt im Dezember der Ford Capri auf den Markt. Zwar beschleunigt die 75 PS-Maschine den Capri 1700 GT nur in 15 sec von 0 auf 100 km/h, doch liegt der Preis von DM 8000 deutlich unter dem des Opel GT. Fords neue Marktstrategie zeigt sich auch an diesem Wagen. Den Capri gibt es in nicht weniger als 52 Ausführungen. Da 1967 der Absatz des Kölner Autoherstellers um etwa 24% gefallen war, soll ein schneller Modellwechsel neue Käufer anlocken. Die Limousinen 17 M und 20 M, die erst im Vorjahr auf den Markt gekommen waren, gibt es 1968 schon in veränderten Versionen zu kaufen. Ford versucht damit ebenso wie Opel, sein Image als Hersteller langweiliger und konventioneller »Beamtenwagen« abzuschütteln. So bezeichnen sogar Besitzer nach einer Umfrage ihren Ford 15 M.

Daimler-Benz schließt sich dem Trend zum spurtstarken Auto mit dem Mercedes 300 SEL 6.3 an. Die etwa 40 000 DM teure Luxuslimousine beschleunigt in nur 6,5 sec auf 100 km/h und schlägt damit fast alle Sportwagen, selbst den Porsche 911 S, den Ferrari GTC oder den Jaguar Typ E. Der Achtzylindermotor leistet 250 PS und bringt das im Frühjahr auf dem Hockenheim-Ring vorgestellte Spitzenmodell auf eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Anders als die Sportwagen bietet der 300 SEL zusätzlich auch sehr viel Reisekomfort.

Weitere sportliche Neuerscheinungen sind die BMW-Modelle 2500 und 2800, die bei 150 und 170 PS Spitzengeschwindigkeiten um 200 km/h erreichen und zwischen 15 500 und 17 200 DM kosten. Der neue Audi 100, der in der LS-Version bezüglich Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit mit dem Opel GT konkurrieren kann, ist jedoch eher als Familienauto gedacht und kostet nur 9300 DM.

Bemerkenswerte Karosserieneuschöpfungen weisen neben dem Opel GT auch der Lamborghini Espada und der Jaguar XJ 6 auf. Mit der von dem italienischen Designer Claudio Bertone gestylten Außenhaut bringt die Nobelmarke Lamborghini mit dem Espada erstmals einen viersitzigen Sportwagen auf den Markt. Den Jaguar XJ 6 zeichnet dagegen zeitlose Eleganz aus.

In der untersten Preiskategorie sorgt ein japanisches Modell für Aufsehen. Der Honda N 360, ein kompakter Kleinwagen mit einem 27-PS-Motor, wird für 4400 DM etwa 2000-mal verkauft.

Chroniknet