Tchibo-Mann, Esso-Tiger und Weißer Riese auf Kundenfang

Werbung 1968:

Im Werbejahr 1968 versucht die Wirtschaft mit ihren großangelegten Werbekampagnen neue Käufer für ihre (meist gleich gebliebenen) Produkte zu gewinnen. Unter Einbeziehung von Preisausschreiben und Ratespielen werden vollständige Werbefeldzüge konzipiert. Nach diesem Prinzip kann der potenzielle Käufer z.B. den Kampf zwischen Esso-Tiger und Esso-Werbeleiter oder der »bajella«-Banane gegen »Chiquita« und »Onkel Tuca« über mehrere Wochen auf Werbeanzeigen in der Presse verfolgen.

Mit dem allgemeinen konjunkturellen Aufschwung steigen auch die Ausgaben für die Werbung. Sie belaufen sich im Jahr 1968 auf insgesamt fast 3 Milliarden DM und liegen damit rund 5% höher als 1967. Bei scharfer Konkurrenz wird der Aufwand für Werbeanzeigen und Werbefotos immer größer. Die Firmen wollen sich mit möglichst einprägsamen Anzeigenfotos von dem Massenangebot in der Werbung abheben. So reiste das Tchibo-Werbeteam eigens nach Afrika, nur um den bekannten dicken Tchibo-Mann vor charakteristischer Landschaft zu fotografieren. Obwohl in der Anzeige später landschaftlich wenig zu sehen ist, haben die Werbeleute weit über 100 000 DM ausgegeben, um eine »echte und lebendige« Atmosphäre einzufangen.

Mit großem Aufwand verstärkt auch Esso 1968 seine Werbung. Mit vier verschiedenen Großanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften wird ein Kampf im Esso-Werbeteam zwischen Esso-Tiger (»Pack den Tiger in den Tank«) und einem konservativen, langweiligen Werbeleiter simuliert. Der Esso-Tiger, der 1965 von der US-Werbeagentur McCann ins Leben gerufen worden war, hatte – nach anfänglich sensationellem Erfolg – seine Zugkraft mehr und mehr eingebüßt. Deshalb entschloss sich die Werbeagentur, die Esso-Kundschaft aufzurütteln und, auf einen Entrüstungssturm hoffend, den beliebten Reklametiger sterben zu lassen Der neu auf den Esso-Anzeigen erscheinende Werbeleiter verkündet also: »Der Tiger muss weg«, doch der Tiger kontert auf derselben Anzeigenseite: »Ich habe viele Freunde. Die keine Trauerklöße sind. Die ganz klar sagen: ›Pack den Tiger in den Tank‹.« Während der Ausgang des Duells zwischen Mensch und Tier noch nicht entschieden ist, erscheint eine Anzeige des Komitees »Rettet den Tiger«, die alle Tiger-Freunde aufruft, in einer Wahl ihre Stimme für den Tiger an den Esso-Tankstellen abzugeben. Unter dem neuen Motto »Den Tiger wählen – und gewinnen« sollen Geldpreise an alle verlost werden, die beim »Glücksthaler-Spiel« mitmachen.

Mit dem Gewinnspiel liegt Esso voll im Werbetrend der Mineralölgesellschaften. Fast gleichzeitig starten die vier Kraftstoff-Konzerne Esso, Shell, Aral und BP in der Bundesrepublik Losspiele. Insgesamt über 7 Millionen DM sind bei den Spielen zu gewinnen, die aus den USA kommen und dort »Lucky Label« (Glücks-Zettel) heißen. Immer nach dem Prinzip, dass der Gewinner zwei zusammengehörige Lose bzw. beide Hälften eines Loses haben muss locken die Konzerne die Kunden an die Tankstellen. »Rubbel die Mark« heißt es bei BP und »Mitgemacht -Bargeld lacht« bei Shell. Da ein Kaufzwang beim Mitspielen aus rechtlichen Gründen nicht bestehen darf, weisen die Shell-Anzeigen den Zusatz auf: »Haben Sie keine Hemmungen, sich einen Umschlag abzuholen, selbst wenn Sie weder tanken noch sonst irgendetwas kaufen wollen.« Dieser Aufforderung kommen die Bundesbürger in Scharen nach. Es entsteht ein reger Tauschhandel unter den Losbesitzern. In Tageszeitungen werden Partner mit den entsprechenden Loshälften gesucht nach dem Muster »2500 DM sind besser als nichts! Habe rechte Seite von Shell-Los 5000,-. Wer hat die linke Seite?«

Doch aggressiven Kampf um Marktanteile gibt es nicht nur im Bereich von Benzin und Öl.

Besonders hart wird rund um die Banane gestritten. Mit der »bajella«-Banane und einer neuen Werbestrategie sagen drei Hamburger Importfirmen dem US-amerikanischen Bananenkonzern United Fruit Company den Kampf an. Mit der »Chiquita«-Banane hatte United Fruit innerhalb eines Jahres seinen Marktanteil von 35% auf 44% vergrößern können. Die speziell gezüchtete besonders große Bananensorte (Mindestlänge: 15 cm) zeichnet sich durch eine makellose Schale aus. Mit dem Slogan »Chiquita – man sieht, dass sie schmeckt« wirbt der US-Konzern damit, dass seine Banane insgesamt 37-mal geprüft sei und deshalb das alles entscheidende blaue Prüfsiegel als Beweis ihrer Güte tragen dürfe.

Die »bajella«-Importeure, deren Banane nicht dieses völlig fehlerfreie Aussehen vorweisen kann, setzen 4 Millionen DM ein und starten eine Gegenkampagne.

Ein sommersprossiges, blondes »bajella«-Modell (»Wie eine bajella-Banane«) wird erwählt und tritt in Zeitungsanzeigen als Marktforscherin in Sachen Banane auf. Bei einem Interview mit der unbescholtenen Hausfrau »Frau Andrea« erfährt sie, dass es nicht auf das Aussehen, sondern den Inhalt einer Banane ankommt, denn, so »Frau Andrea«: »Wir essen doch nicht die Schalen!«

Neben »Chiquita« und »bajella« tummelt sich auch noch »Onkel Tuca« auf dem Bananenmarkt. Der selbst ernannte »bananero« preist, inmitten von Kindern sitzend, »Onkel Tuca’s sonnige Bananen« an.

Auch an der Waschmittelfront wird mit wechselnden Erfolgen weitergekämpft. Henkel & Cie., Procter & Gamble, Sunlicht und Colgate-Palmolive überbieten sich im Streit darüber, welches Waschmittel am weißesten wäscht. »Dash wäscht so weiß, weißer geht’s nicht«, das Waschpulver »Cascade« – »Zwingt Grau raus – zwingt Weiß rein«, »Omo« behauptet: »Keiner wäscht reiner« und Henkel: »Nur Persil hat zwei Weißmacher«. Während »Dato« den verhassten Gilb umbringen möchte, knipst »Sunil« zusätzlich »Licht an im Weiß«.

Neu auf dem Markt ist seit dem Frühjahr 1968 das Henkel-Waschmittel »Fakt«. Das rote Paket mit der sehnigen Männerfaust und dem Aufdruck »Fort mit dem Grauschleier« entpuppt sich als Senkrechtstarter des Jahres. »Fakt« belegt mit 15% Marktanteil den zweiten Platz auf der Hitliste der Waschmittel vor »Omo« von Sunlicht mit 14%. An der Spitze steht »Persil« mit 26% Marktanteil.

Chroniknet