Mietsteigerungen und Wohnungsmangel bereiten Probleme

Wohnen und Design 1970:

Das Wohnen gehört zu den wichtigsten Anliegen der Bundesbürger. Auf die Frage, welche sozialen und politischen Reformen die Regierung zuerst anpacken solle, fordern 1970 bei einer Umfrage 73% von den Politikern die Schaffung von mehr und billigerem Wohnraum. 88% der vom Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Befragten würden am liebsten in einem eigenen Ein- oder Mehrfamilienhaus wohnen.

Doch der Traum von den eigenen vier Wänden wird teurer. Die Baupreise steigen gegenüber 1969 um durchschnittlich 15%, ebenso erhöhen sich die Kosten für Bauland und Kreditzinsen. Deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen für den Kauf einer Eigentumswohnung. Gegenüber 1968 nimmt ihre Zahl um 25% zu. Insgesamt wohnen 1970 38% der Deutschen in eigenen Wohnungen. Die restlichen 62%, die zur Miete wohnen, müssen dafür immer tiefer in die Tasche greifen. Zwischen 1962 und 1970 steigen die Mieten in Altbauwohnungen bis zu 70% und in Neubauten bis zu 50%. Ein Gesetzentwurf der Regierung vom 17. Oktober sieht u.a. die zukünftige Kontrolle von Altbaumieten vor. Am 4. Dezember stimmt der Bundesrat außerdem dem zweiten Wohngeldgesetz zu, das höhere Leistungen für einen erweiterten Personenkreis bringt.

Besonders in Großstädten fehlt es an Wohnraum. In Hamburg, Frankfurt am Main, München und Düsseldorf kommt es zu Mieterdemonstrationen und kurzfristigen Hausbesetzungen. Nach dem Städtebaubericht der Bundesregierung vom 1. Dezember wohnen 800 000 Haushalte in Baracken oder sonstigen Notunterkünften. Rd. 1 Mio. Wohnungen gelten als abbruchreif. Neue Trabantensiedlungen, wie das Märkische Viertel in Berlin, sollen hier Abhilfe schaffen.

In den letzten Jahren hat der Wohnkomfort zugenommen. Beim Möbelkauf und der Wohnungseinrichtung ändern sich die Gewohnheiten. Man kauft seltener »fürs Leben«, auch das »Wohnbewusstsein« unterliegt zunehmend der Mode. Die Chemie, die in immer größerem Umfang Einzug in die Möbelproduktion hält, eröffnet mit neuen Werkstoffen (Thermoplaste, Schaumstoffe) und neuen Farben nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für die Gestaltung. Aufsehen erregt auf der Internationalen Möbelmesse in Köln ein von dem dänischen Innenarchitekten Verner Panton entworfenes doppelstöckiges Sitzmöbel aus Schaumstoff, auf dem bis zu zehn Personen Platz finden. Kunststoffmöbel in unkonventionellen Formen und Farben werden nach Vorhersage von Experten bald immer mehr Käufer finden. US-amerikanische Wissenschaftler schätzen, dass im Jahr 1980 rund 80% aller Wohnmöbel aus Kunststoff bestehen werden.

In Oberammergau beginnt die 36. Spielzeit der alle zehn Jahre stattfindenden Oberammergauer Passion (bis 30. 9.). Zuvor war der 110 Jahre alte Text des Festspiels wegen seiner antisemitischen Tendenzen heftig kritisiert worden. Aufgrund der Vorwürfe wird die derzeitige Fassung – die 1930 und 1940 den Nationalsozialisten als Propagandainstrument diente – künftig nicht mehr benutzt.

Chroniknet