»Strukturplan für das Bildungswesen« will Chancengleichheit in Schulen

Bildung 1970:

Als Grundlage für die weitere Bildungsplanung und -reform in der Bundesrepublik Deutschland soll der am 27. April 1970 vom Deutschen Bildungsrat vorgelegte »Strukturplan für das Bildungswesen« dienen.

Der Plan ist nach Ansicht des Bildungsrats keine pädagogische Utopie, sondern ein »systematisch geordnetes, offenes Programm für das, was heute geschehen sollte, damit wir morgen bestehen können«. Vom Elementarbereich (Drei- bis Vierjährige) bis zur Lehrerbildung erstrecken sich die durchgreifenden Reformvorschläge und Zielprojektionen für die kommenden zehn Jahre:

  • Für alle Drei- bis Vierjährigen wird der Kindergartenbesuch auf freiwilliger Basis empfohlen. Bis 1980 sollen Plätze für 75% der Kinder zur Verfügung gestellt sein. Ziel dieser Maßnahme ist der frühzeitige Abbau sozialbedingter Chancenungleichheit.
  • Der Primarbereich des Bildungswesens, der alle Fünf- bis Achtjährigen erfasst soll bis 1980 so verändert und erweitert werden, dass das Einschulungsalter auf fünf Jahre vorverlegt werden kann. Eine entsprechende inhaltliche und methodische Veränderung des Anfängerunterrichts wird angestrebt.
  • In der Orientierungsstufe (5. und 6. Schuljahr) vollzieht sich der Übergang vom Primar- zum Sekundarbereich. Für den Sekundarbereich wird die Annäherung der Lernziele und -inhalte der drei bestehenden Schularten Gymnasium, Realschule, Hauptschule, empfohlen, so dass in allen drei Schultypen nach dem 10. Schuljahr ein qualifizierter Abschluss (Abitur I) erreicht werden kann. Bis 1975 soll das zehnte Vollzeitschuljahr in allen Bundesländern verwirklicht werden.
  • In der Sekundarstufe II, die zum Abitur II führt, sollen sich allgemeine und berufliche Bildungsgänge annähern und mehr nach Schwerpunktfächern als im Unterrichtsniveau unterscheiden. Das Abitur II ist breiter gefächert als das bestehende Abitur. Etwa 50% eines Altersjahrgangs sollen 1980 die Sekundarstufe II besuchen.
  • Für die Lehrerausbildung wird die Angliederung an die Hochschulen empfohlen. Das Lehramtsstudium soll schulstufen- statt schulartenbezogen organisiert werden.

Zur Verwirklichung dieser Strukturreformen würden (auch wegen steigender Schülerzahlen) bis 1980 zwischen 570 000 und 700 000 mehr Lehrer gebraucht (1967: 342 000). Insgesamt ergibt sich für 1980 ein Finanzbedarf von rd. 50 Mrd. DM für das Schulwesen (ohne Hochschulen), d.h. das Dreieinhalbfache des derzeitigen Volumens. Dies lasse sich nur durch Steuererhöhungen oder Umschichtungen der öffentlichen Ausgaben erreichen. Die Finanzierung müsse durch klare Entscheidungen von Bund und Ländern abgesichert werden.

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