Traditionelle Hausmannskost neben Pizza und Spaghetti

Ernährung, Essen und Trinken 1970:

Obwohl die Fresswelle der späteren Nachkriegszeit vorüber ist, essen die Bundesbürger noch immer gern in traditioneller Manier fette, kalorienreiche Hausmannskost. Übergewichtigkeit wird zur Volkskrankheit, Schlankheitskuren und Diätrezepte in den Illustrierten haben Hochkonjunktur. Ausländische Spezialitäten, wie die immer populärer werdende Pizza, leiten keinen grundlegenden Wandel traditioneller Essgewohnheiten in der Bundesrepublik ein.

Bei fast allen Grundnahrungsmitteln ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Zehnjahresvergleich teilweise erheblich angestiegen. Besonders markant ist der Anstieg bei Fleisch und Obst.

Täglich werden pro Kopf 140 g Reinfett konsumiert, obwohl, wie Ernährungswissenschaftler versichern, etwa 70 bis 80 g ausreichen würden. Nicht die Verfeinerung des Genusses ist das Ziel populärer Esskultur sondern der Verzehr möglichst großer Mengen sättigender Speisen, wie fettes Fleisch, Suppen und andere kalorienreiche Gerichte. Dazu wird ein möglichst süßer, durchschnittlicher Wein getrunken.

Durch den in den 50er und 60er Jahren aufkommenden Massentourismus vor allem an die Mittelmeerstrände Italiens lernen viele Bundesdeutsche erstmals die Spezialitäten ausländischer Küche kennen. Pizza, Spaghetti, Artischocken, Auberginen, Melonen und südliche Rotweine werden in deutschen Speisekammern heimisch. Die mit der Gastarbeiterwelle seit Beginn der 60er Jahre in der Bundesrepublik zahlreich eröffneten ausländischen Gaststätten neigen jedoch dazu, sich dem Geschmack des deutschen Gastes anzupassen, statt einheimische Esskultur zu pflegen.

Steigende Mobilität, die zunehmende Zahl berufstätiger Frauen und ein verändertes Freizeitverhalten führen dazu, dass die gemeinsam am Familientisch eingenommenen Mahlzeiten keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Vorgefertigte Mahlzeiten (Dosengerichte, Tiefkühlkost) ersetzen im häuslichen Bereich selbstgekochte Speisen, wenn nicht gar beim Fernsehen ganz auf die warme Mahlzeit zugunsten kleiner Snacks oder salziger Knabbereien (Kartoffelchips, Salzletten, gesalzene Erdnüsse u.a.) verzichtet wird. Diese kleinen »Kalorienbomben« werden typischerweise auch in den mehr oder minder geschmackvollen, im eigenen Haus eingerichteten Kellerbars angeboten.

Nach dem Vorbild der großen US-amerikanischen Imbissketten schießen vor allem in den Zentren der Großstädte Snackbars und Schnellimbisse wie Pilze aus dem Boden. Die Currywurst mit Brot und die Pommes frites mit Ketchup oder Mayonnaise sind so beliebt wie kalorienreich. Zunehmend ersetzt die schnelle Zwischenmahlzeit (Fast Food) den regulären Mittagstisch und die Zubereitung von Gerichten am eigenen Herd.

Chroniknet