Stadt soll attraktiver werden

Architektur 1971:

Zu Beginn der 70er Jahre orientieren sich die Architekten grundsätzlich weiter an den hergebrachten Gestaltungsprinzipien. In den Städten entstehen immer noch gesichtslose Hochhäuser, deren Bauherrn sich ausschließlich davon leiten lassen, möglichst schnell funktionalen und billigen Wohn- und Büroraum zu schaffen. Auch die riesigen Trabantensiedlungen, die seit den 60er Jahren zum Erscheinungsbild der bundesdeutschen Großstädte gehören, werden weiter vergrößert. Am Märkischen Viertel in Berlin wird bereits seit 1963 gebaut. Dennoch mehrt sich die Kritik an der Einfallslosigkeit und Einfältigkeit der Architektur der zurückliegenden Jahre. Es gibt vielfältige Versuche, Alternativen zu entwickeln.

Nach einer sechsjährigen Entwicklungsphase stellt 1971 der Münchener Architekt Richard J. Dietrich der Öffentlichkeit sein »Metastadt«-Konzept vor. Dietrichs Ziel ist es, mit diesem neuen Ansatz die Probleme der modernen Städte zu bewältigen. Durch Planung soll den Gefahren, wie »Verkehrsinfarkt«, »Schlafstadtmonotonie« und Bodenspekulation, begegnet werden.

Dietrichs Konzept sieht vor, dass die vielfältigen und schnellveränderlichen Funktionen der modernen Großstadt – Verkehr, Arbeiten, Wohnen, Erholen usw. – nicht mehr wie bisher verstreut und platzraubend in der Fläche angeordnet werden. Vielmehr sollen alle diese Funktionen in einer »verdichteten Stadt« eng bei- und übereinander untergebracht werden. Nach Ansicht der Planer ermöglicht das »Metastadt«-Konzept, die Städte, die durch Straßen auseinandergerissen wurden, wieder zusammenwachsen zu lassen.

Für seine »Metastadt« hat Dietrich ein vom Fließband lieferbares und vielfältig variables Stadtbau-System entwickelt. Es soll den Weg zu einem industrialisierten Wohnungs- und Städtebau weisen. Kernstück sind Kuben (Seitenlänge 4,20 m), die nach Art des Stabilbaukastens in beliebiger Zahl aneinandergeschraubt und übereinandergestapelt werden können.

Auf diese Weise entstehen großräumige Gitterskelette mit einem genormten Raster, in die der Benutzer nach Belieben Fenster, Terrassenelemente, Decken und Trennwände montieren kann. Auf der untersten Ebene rollt nach den Vorstellungen der Planer der Verkehr, im Geschoss darüber sind Parkplätze vorgesehen. Dann folgen Büros, Cafés, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen. Erst darüber, vom sechsten Stockwerk an, sind Wohneinheiten in den Terrassenhügeln installiert.

Bereits 1972 sollen in der Versuchs-Siedlung »Neue Stadt Wulfen« die 60 »Metastadt«-Wohneinheiten montiert werden. Kritiker des Konzepts befürchten jedoch, dass die gedrängte Wohn- und Arbeitssituation in der »Stadt der Zukunft« zu neuen sozialen Problemen führen kann.

Eine andere ästhetisch überzeugende Alternative zu den gewohnten Hochhausbauten ist die Büropyramide des Schweizer Architekten Justus Dahinden. Das Bauwerk, das am Ufer des Zürichsees liegt, wird 1971 fertiggestellt Die Gestaltung des Hauses als Pyramide ergab sich für Dahinden aus den Vorschriften der Schweizer Baubehörden. Diese forderten entsprechend den Licht- und Luft-Auflagen, dass die höhergelegenen Geschosse zurückgestaffelt werden müssten Der Architekt gestaltete deshalb eine 20 m hohe Pyramide, deren schräggestellte Fenster einen erheblich größeren Lichteinfall ermöglichen.

Doch nicht nur die Form, auch das Material hebt das Haus aus dem gebauten Einerlei heraus: Die Fassade besteht aus Cor-Ten-Stahl und StoppRay-Gläsern. Die besondere Eigenschaft des Stahls ist sein schnelles Anrosten. Dieser Rost bildet die denkbar beste Schutzschicht gegen Korrosion. Die mit Kupfer bedampften Fenstergläser reflektieren 75% der Wärmestrahlung und verhindern ein übermäßiges Aufheizen der Räume. Stahl-Rost und Kupfer-Glas geben dem Gebäude eine Farbe »Ton in Ton«.

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