Alle Ressourcen nutzen

Wissenschaft und Technik 1973:

Technische oder wissenschaftliche Höhepunkte beschert das Jahr kaum. Eher lässt sich von Trends sprechen, die langfristige Entwicklungen einleiten. Zum einen beginnen die Forschung wie die Industrie sich um eine bessere Nutzung natürlicher Ressourcen zu kümmern. Solarenergienutzung und Kernfusion werden erwogen, Meerwasserentsalzung wird in immer größerem Umfang praktiziert. Zum anderen zeichnen sich neue Wege in der Medizintechnik ab: verbesserte Röntgendiagnose und gezieltere Chemotherapiemethoden. In der Architektur experimentiert man mit einer neuartigen Modulbauweise, in der Phonobranche geht der Trend zur hohen Klangqualität der Hifi-Technik. Die US-Raumfahrt setzt nach dem im Vorjahr beendeten Mondlandeprogramm jetzt auf den Bau von Raumstationen.

Die Universität von Delaware (USA) baut nach Plänen von K.W. Boer ein durch Sonnenenergie versorgtes Haus (»Solar one«). Ein anderes Alternativprojekt basiert auf dem an der Berkeley-Universität (USA) erfundenen Banks-Motor. Er setzt Wärmeenergie unmittelbar in Bewegungsenergie um. Sein Herz ist ein Draht aus der neuartigen Nickel-Titan-Legierung Nitiol. Kalt beliebig verformbar, springt der Draht beim Überschreiten einer bestimmten Temperatur unter beachtlicher Kraftentfaltung in seine ursprüngliche Form zurück. Der Banks-Motor bedient sich dieser Kraftfreisetzung bei permanentem Temperaturwechsel für seinen Antrieb.

Um Energieerzeugung in weit größerem Stil bemüht sich das US-amerikanische Lawrence Livermore Laboratory. In einem Großexperiment versuchen Wissenschaftler hier, mit Energiezufuhr (10 KwH) aus zwölf 50 m langen Hochleistungslasern in einer stecknadelgroßen Kugel aus gefrorenem Schwerwasserstoff (Deuterium) die physikalischen Voraussetzungen für eine Kernfusion zu schaffen. Gelingt ein solcher Prozess wird weit mehr Energie geliefert als durch die Kernspaltung in herkömmlichen Kernreaktionen.

Am Persischen Golf nimmt die französische Firma Gèdes die bisher größte Meerwasserentsalzungsanlage der Welt in Betrieb. Sie liefert täglich rund 150 000 m3 Trinkwasser. Das ist das Sechsfache der Leistung der größten bisherigen Einrichtung. Die Anlage besteht vor allem aus 2500 km verschlungener Kupferrohre.

Sowohl in den USA als auch in Europa experimentieren Architekten mit sog. Wohnmodulen. In erster Linie sind das vorgefertigte, komplette Apartment-Wohnungen, die an der Baustelle von einem Großkran einfach in das Stahlbetonskelett größerer Gebäudekomplexe eingesetzt werden. Abgesehen von dieser allgemeinen Entwicklung hat die Architektur auch einen konkreten Superlativ zu bieten: Am 21. März wird bei Hamburg die Kattwykbrücke, die mit 54 m lichter Durchfahrtshöhe im Mittelteil größte Straßenhubbrücke der Welt, fertiggestellt

Den Phonomarkt erobern die sog. Hifi-Geräte. Voraussetzung dafür sind die 1973 unabhängig voneinander entwickelten Lautsprechersysteme der Ingenieure Oskar Heil und Lincoln Walsh. Sie verbessern das letzte Glied in der Kette der Tonwiedergabequalität so, dass das menschliche Ohr die akustische Reproduktion nicht mehr vom Original unterscheidet. Um ein in allen Bereichen ausgewogenes Klangbild zu erzeugen, bestehen HiFi-Boxen aus mehreren Spezial-Lautsprechern, die die tiefen, mittleren und hohen Frequenzen jeweils optimal umsetzen können.

Mit dem Weltraumlabor »Skylab« bringt die NASA am 14. Mai die erste US-amerikanische Raumstation in den Orbit. Das 435 km über der Erde stationierte Labor besitzt 316 m3 Lebens- und Arbeitsraum und wird bereits im Jahr 1973 dreimal von Astronautenteams besucht (<!– 14.5.1973–>).

Interessante Bilder aus dem Weltall funkt die im Vorjahr gestartete US-Raumsonde »Pioneer 10« am <!– 4. Dezember 1973–> zur Erde, als sie in 130 300 km Entfernung den Planeten Jupiter passiert.

Chroniknet